Indische Minderheitenschulen im Kreuzfeuer

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Kirche und Ökumene
In Indien fordert die Nationale Kommission für den Schutz von Kinderrechten (NCPCR), Minderheitenschulen müssten nach den gleichen Regeln wie öffentliche Schulen betrieben werden. Vertreter der Minderheiten sehen darin einen Versuch, gut begründete Sonderrechte aufzuheben.

Die Forderung, die Schulen sprachlicher, ethnischer und religiöser Minderheiten unter das allgemeine Gesetz zum Recht auf Bildung zu stellen, ist bereits vor einigen Jahren kontrovers diskutiert worden. 2014 urteilte der Oberste Gerichtshof von Indien dann, das Bildungsrecht dürfe nicht gegen die in der Verfassung garantierten Minderheitenrechte ausgespielt werden. Artikel 29 und 30 der indischen Verfassung legen fest, dass Minderheiten gleiche Möglichkeiten haben sollen, ihre Sprache, Schrift und Kultur zu pflegen und weiterzugeben. Deswegen dürfen sie eigene Schulen gründen und in Eigenregie leiten. 

Die NCPCR wärmt die alte Diskussion nun wieder auf und begründet ihre Forderung mit den Ergebnissen einer Studie, die Mitte August vorgestellt wurde. Demnach sind knapp 72 Prozent aller Minderheitenschulen in christlicher Hand, obwohl die Christen nur knapp 12 Prozent der Minderheitenbevölkerung ausmachen. Bei den Muslimen ist das Verhältnis umgekehrt. Sie repräsentieren 70 Prozent der Minderheitenbevölkerung, leiten aber nur knapp 23 Prozent der Schulen, darunter zahlreiche Koranschulen. Die Sikhs, die 10 Prozent der Minderheitenbevölkerung ausmachen, haben 1,5 Prozent der Minderheitenschulen in ihrer Trägerschaft. Weitere Ergebnisse der Studie sind, dass 62,5 Prozent der Schüler an allen Minderheitenschulen gar keiner Minderheit angehören und dass die größte Anzahl Kinder, die in gar keine Schule gehen, mit 11 Millionen muslimische Kinder sind. 

Für eine gute Bildung der Armen und Ausgegrenzten

Nicht allein die Ergebnisse, sondern vor allem die Unterstellungen der NCPCR bringen Minderheitenvertreter in Habachtstellung. Minderheitenschulen seien „Ghettos der Unterprivilegierten“ oder auch „Kokons, in denen sich die Elite tummelt“, heißt es in der Zusammenfassung. Schüler an Minderheitenschulen würden in ihrem Recht auf Bildung beschnitten, weil die Einrichtungen sich nicht an allgemeine Richtlinien halten müssten, willkürlich entscheiden dürften, welche Schüler aufgenommen werden und welche Lehrer man einstellen wolle. Auch beim Lehrplan und bei pädagogischen Konzepten könnten sie machen, was sie wollen. Überhaupt hätten sich viele Minderheitenschulen nur als solche registrieren lassen, um mehr Freiheiten zu haben, sagte Priyank Kanoongo, Vorsitzender der NCPCR, bei der Vorstellung der Studie. 

Für Pater Maria Charles von der katholischen Bischofskonferenz in Indien ist klar, dass die Studie nur das Ziel verfolge, die christlichen Bildungsdienste zu verunglimpfen und zu beschuldigen, riesige Geldsummen zu verdienen. Dabei engagierten sich die Einrichtungen, die von Minderheiten geführt werden, vor allem für eine gute Bildung der Armen und Ausgegrenzten. Und Shujaat Ali Qadri, der Präsident der muslimischen Studentenorganisation, sagte gegenüber lokalen Medien: „Die Minderheitenschulen dienen den lokalen Gemeinschaften und nicht nur den Kindern aus einer bestimmten Minderheit.“ Unnötige und ungerechtfertigte Einmischungen machten nur böses Blut. 

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erschienen in Ausgabe 10 / 2021: Pfingstler auf dem Vormarsch
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