Wein predigen - Wein trinken

Herausgeberkolumne
Globale Unternehmen müssen laut UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte die Menschenrechte einhalten. Das sollte auch für die eigene Arbeit gelten, findet Fastenaktion und hat mit der Gemeinwohlbilanz die Probe aufs Exempel gemacht. 

Bernd Nilles ist Geschäftsleiter von Fastenopfer.
Seit 20 Jahren setzt sich Fastenaktion – früher unter dem Namen Fastenopfer – dafür ein, dass globale Unternehmen ihre Verantwortung für Umwelt und Mitarbeitende aktiv wahrnehmen. Die Entrüstung ist  groß, wenn diese trotz Nachhaltigkeitsberichten oder Selbstverpflichtungen nachweislich die Umwelt zerstören und Menschenrechte verletzen. 

Aber wie ist das eigentlich bei Hilfswerken und zivilgesellschaftlichen Organisationen? Wie gehen sie mit dem Thema Nachhaltigkeit um? Fasten­aktion hat einen neuen Ansatz gewählt mit dem Ziel, die eigene Organisation ganzheitlich unter die Lupe zu nehmen. Einen ersten Nachhaltigkeitsbericht haben wir 2009 erstellt – orientiert an den Richtlinien der Global Reporting Initiative (GRI), die schädlichen Auswirkungen der Arbeit von Unternehmen, Regierungen und nichtstaatlichen Organisationen auf Mensch und Umwelt entgegenwirken sollen. Nach zwei weiteren Berichten entschieden wir uns 2021, eine Gemeinwohlbilanz zu erarbeiten. Damit wollen wir nicht nur mögliche negative Auswirkungen unseres Tuns auf Umwelt und Gesellschaft messen, sondern auch unseren Anspruch überprüfen, ob wir einen relevanten Beitrag zu einer gesellschaftlichen Transformation zum Besseren leisten. 

Auswirkungen auf Menschenwürde und Umwelt

Gemeinsam mit vier weiteren Organisationen und einer professionellen Prozessbegleitung haben wir bezogen auf wichtige Stakeholder-Gruppen wie Projektpartnerinnen und -partner in Programmländern, Spendende, Mitarbeitende und Lieferantinnen und Lieferanten analysiert, welche Auswirkung unsere Arbeit auf Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit sowie die Umwelt hat. So prüften wir bei der Rubrik „Transparenz und Partizipation“, wie fair wir die Beziehung zur jeweiligen Gruppe gestalten. 

Was haben wir dabei gelernt? Es ist anspruchsvoll, in einem Qualitätsaudit den Blick auf das Wesentliche zu richten. Detailfragen und Indikatoren verleiten zu Bewertungen in Zahlen wie im bestehenden Wirtschaftssystem üblich. Dank Austausch in der Peergruppe ist es dann gelungen, die Perspektive auf einen grundlegenden Systemwandel beizubehalten.

Ernährungssituation verbessern in Guatemala 

Wir haben festgestellt, dass Fastenaktion die größte Wirkung im Sinne einer Transformation der Gesellschaft dort erreicht, wo wir die lokale Projektarbeit in den Programmländern mit lokaler und internationaler Lobbyarbeit sowie politischer und Sensibilisierungsarbeit in der Schweiz verschränken. Ein Beispiel aus dem Jahr 2020: Mit lokalem Saatgut und agrarökologischer Beratung verbesserten unsere Partnerorganisationen in den Philippinen, Guatemala oder Südafrika die Ernährungssituation der jeweiligen Bevölkerung vor Ort. Parallel setzte sich Fastenaktion international für die in der UN-Generalversammlung beschlossene Bauernrechtskonvention UNDROP ein, und in der Schweiz führten wir Gespräche mit dem Bundesamt für Landwirtschaft, dem Staatssekretariat für Wirtschaft und dem Institut für geistiges Eigentum.

Ein zentraler Anstoß für diesen Dialog waren die 1300 Briefe von engagierten Menschen aus der Schweiz und aus den Programmländern, die das Recht auf eigenes Saatgut forderten. Bei diesem Dialog waren wir nicht allein, sondern eingebunden in eine Allianz zivilgesellschaftlicher Organisationen. Die Arbeit in Kooperativen – so zeigt die Gemeinwohlbilanz – gelingt uns vorbildlich, wir können so als eher kleine Organisation die größte Wirkung  erzielen, um bessere Rahmenbedingungen für die benachteiligten Menschen im Süden zu erreichen.

Schönfärberei vermeiden

Insgesamt haben wir mit agrarökologischen Projekten und Wiederaufforstung im Süden sowie mit unserem Klimaengagement und unseren Beratungsangeboten im Norden einen positiven, aber schwer bezifferbaren Klima-Effekt. Es ist uns aber sehr wohl bewusst, wie klimaschädlich Flugreisen sind. 2020 konnten wir im Vergleich zu 2019 unseren CO2-Ausstoß von 188 auf 25 Tonnen senken. Leider ist dies Corona geschuldet und nicht einem strategischen Vorgehen. Jetzt werden wir für Fastenaktion einen CO2-Absenkpfad erarbeiten, um so weit als möglich klimaneutral zu werden. 

Eine Gemeinwohlbilanz zu erstellen, ist arbeitsintensiv. Aber sie ermöglicht es, negative Wirkungen zu vermeiden und positive zu verstärken. Und sie hilft bei Entscheidungen, etwa wenn wir den Nutzen von Flugreisen für das Gemeinwohl gegen ökologische Nebenwirkungen abwägen. Professionelle Begleitung und transparente Zusammenarbeit mit anderen nichtstaatlichen Organisationen fördern das Lernen als Organisation. Damit vermeiden wir Schönfärberei. So hoffen wir, dass wir mit einem guten Nachhaltigkeitsansatz Wein predigen und trinken.  

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erschienen in Ausgabe 12 / 2021: Das Spiel der großen Mächte
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