Experten beraten über Lösungen für die Nahrungsmittelkrise
Weltweit steigen die Nahrungsmittelpreise, Internationaler Währungsfonds und Weltbank warnen vor globalen Hungerkrisen, Biosprit aus Getreide gerät in Verruf. Doch mehr Geld für das Welternährungsprogramm (WFP) und eine Abkehr von Biosprit-Beimengungsplänen genügen nicht, sagen Fachleute. Sie plädieren für eine radikale Neuausrichtung der Landwirtschaft weltweit.
Angesichts der weltweiten Hungerproteste hat Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul im April die deutschen Mittel 2008 für das Welternährungsprogramm um 23 Millionen Euro auf 46 Millionen Euro aufgestockt. Der Ausbau der Agrartreibstoff-Produktion sei eine der Ursachen für die dramatisch gestiegenen Nahrungsmittelpreise, sagte die Ministerin. Zugleich betonte sie, die Landwirtschaft in den Entwicklungsländern müsse stärker gefördert werden und die Agrarsubventionen der Industrieländer gehörten abgeschafft.
Der 2002 auf Initiative der Weltbank und der Vereinten Nationen eingerichtete Weltagrarrat kommt indessen zu einem viel weitergehenden Schluss: Das Modell der industriellen Landwirtschaft mit hohem Energie- und Chemikalieneinsatz sei nicht mehr zeitgemäß und könne das Hungerproblem nicht lösen, heißt es im Mitte April vorgelegten Abschlussbericht des Rates. Stattdessen müsse auf kleinbäuerliche und ökologische Anbaumethoden gesetzt werden.
Einen Vorrang für die Produktion, Verarbeitung und Vermarktung von Nahrungsmitteln auf regionalen und lokalen Märkten fordern auch Organisationen wie Attac oder Caritas international. Nur wenn es gelinge, die lokale Produktion von Nahrungsmitteln wieder attraktiv zu machen und die Ernährung aus eigener Kraft zu sichern, könne die Krise überwunden werden. Das heiße nicht, dass es keinen Handel geben dürfe. Aber quer über den Globus verschiffte Produkte dürften das einheimische Nahrungsmittelangebot höchstens ergänzen, nicht ersetzen, fordert Attac.
Auch der frühere Bundesumweltminister und Chef des UN-Umweltprogramms, Klaus Töpfer, sagte Mitte April auf einer Veranstaltung in Frankfurt am Main, es sei zu einfach, im Biosprit-Boom die alleinige Ursache für den Preisanstieg zu sehen. Der entwicklungspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Christian Ruck, weist noch auf einen anderen Faktor hin: die steigende Nachfrage in Schwellenländern nach höherwertigen Nahrungsmitteln wie Fleisch und Milch. In der Pflicht stünden zudem nicht nur die Geber: Auch die Entwicklungsländer müssten sich stärker um die ländlichen Räume kümmern.
Johannes Schradi
welt-sichten 5-2008