Die Wege der Waffen sind wenig durchschaubar

Der Bundestag kontrolliert Deutschlands Rüstungsexporte nicht ausreichend

Die Bundesregierung legt zwar jedes Jahr einen Bericht über die genehmigten Waffenexporte vor. Aber er wird im Parlament wenig beachtet – unter anderem weil er nur im Nachhinein über die Geschäfte Auskunft gibt. Parlamentarier aller Fraktionen haben auf einer Tagung der GKKE mehr Transparenz verlangt.

Kriegswaffen und Rüstungsgüter aus Deutschland  finden ihren Weg in alle Welt – auch in Entwicklungsländer. Und die Ausfuhren steigen. Zu diesem Befund kommen regelmäßig die Rüstungsexportberichte der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE), zuletzt Ende 2007. Doch die Berichte, die die Bundesregierung zum selben Thema vorlegt, werden seit Jahren im Bundestag nicht debattiert, obwohl dies vorgesehen ist. Jetzt schritt die GKKE zur Selbsthilfe: Sie lud Abgeordnete aller fünf Bundestagsfraktionen zu der Diskussion ein, „die wir im Bundestag vermissen“, so Prälat Stephan Reimers, der evangelische Vorsitzende der GKKE.

Einen Wert von 7,7 Milliarden Euro erreichten laut GKKE im Jahr 2006 die Genehmigungen für deutsche Rüstungsausfuhren (Einzel- und Sammelausfuhren), das sind 1,5 Milliarden Euro mehr als im Vorjahr. Deutschland ist damit in der EU der größte und weltweit hinter den USA und Russland der drittgrößte Exporteur von Rüstungsgütern. Zwar gehen die Exporte größtenteils in EU- und Nato-Länder. Doch werden deutsche Rüstungsgüter auch direkt in Entwicklungsländer geliefert – darunter in politisch wie menschenrechtlich problematische, etwa Pakistan, Angola oder den Jemen. Weiteres deutsches kriegstaugliches Material gelangt auf kaum kontrollierten Umwegen in zahlreiche arme und ärmste Länder, obwohl die direkten Ausfuhren dorthin gering sind.  

Eine gründliche Durchleuchtung der deutschen Rüstungsexportpraxis und ihrer Folgen ist also dringend geboten, befanden alle von der GKKE geladenen Abgeordneten – nämlich Erich G. Fritz (CDU/CSU), Rolf Mützenich (SPD), Claudia Roth (Grüne), Florian Toncar (FDP) und Paul Schäfer (Linkspartei). Toncar sprach gar von einem „unkontrollierten Exekutivhandeln“. Und alle Parlamentarier beklagten: Von den bestehenden Exportregelungen ist der EU-Verhaltenskodex zu unverbindlich, während die deutschen Rüstungsexport-Richtlinien in der Handhabung zu undurchsichtig sind.

Aber wie mehr Transparenz herstellen? Im Bundestag ist der Wirtschaftsausschuss federführend für die deutschen Rüstungsexporte, und der sei an einer Diskussion schlicht „nicht interessiert“, befand der SPD-Abrüstungsexperte Rolf Mützenich. Der Außenwirtschaftsexperte der Union, Erich G. Fritz, konstatierte ein insgesamt geringes Interesse der Parlamentarier am Thema. Das freilich rühre nicht zuletzt daher, dass die Rüstungsexportberichte nur „im Nachhinein“ diskutiert würden, mutmaßte die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth, die vor Jahren an der Überarbeitung der deutschen Rüstungsexport-Richtlinien im Jahr 2000 maßgeblich beteiligt war.   

Während der Abrüstungsexperte der Linkspartei, Paul Schäfer, die deutschen Rüstungsexport-Bestimmungen insgesamt für viel zu wenig restriktiv hielt, plädierte Florian Toncar dafür, die Rechenschaftspflicht der Regierung gegenüber dem Parlament bei der Genehmigung von Rüstungsexporten auszuweiten. Claudia Roth vermisste in den alljährlichen Berichten der Regierung jeden Hinweis darauf, dass Exportanträge auch einmal abgelehnt würden. Derweil steigen nach allen vorliegenden Zahlen die weltweiten Rüstungsausgaben ständig weiter und übertreffen derzeit mit mehr als einer Billion US-Dollar jährlich die Aufwendungen für Entwicklungsleistungen um rund das zehnfache.

Johannes Schradi

welt-sichten 6-2008

 

erschienen in Ausgabe 6 / 2008: Welternährung
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