Die katholische Kirche in Bolivien scheitert mit ihren Vermittlungsversuchen
Im Streit zwischen Boliviens Regierung und den vier nach Autonomie strebenden Provinzen im Tiefland des Andenstaates bemüht sich die katholische Kirche um Vermittlung. Mit seinem Besuch bei der Vollversammlung der Bischofskonferenz hat sich Präsident Evo Morales dafür offen gezeigt. Doch seit dem Referendum in der Provinz Santa Cruz über mehr Autonomie stockt die Initiative.
Bei Gesprächen am Rande der Vollversammlung – nach Evo Morales waren auch Cochabambas Regierungspräsident sowie die Präfekten der vier Ostprovinzen angereist – einigten sich alle Beteiligten, dass die Kirche einen „Nationalen Dialog“ ausrufen solle, um einer Spaltung des Landes entgegenzuwirken. Auf weiteren Treffen sollten die nächsten Schritte vereinbart werden. Doch bisher ist es dazu nicht gekommen.
Stattdessen hat die Teilnahme von Erzbischof Julio Terrazas, dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz, am Autonomie-Referendum für Santa Cruz Anfang Mai die nur mühsam beigelegten Spannungen zwischen der Regierung und der katholischen Kirche neu aufflammen lassen. Von Seiten der Regierung heißt es nun, dass sich der Kardinal mit seiner Teilnahme an einer vom Obersten Wahlgericht für illegal erklärten Abstimmung für seine Vermittlerrolle disqualifiziert habe, erklärt Martin Hagenmaier von Adveniat, dem Lateinamerika-Hilfswerk der deutschen Katholiken.
Im Juni stehen in den Provinzen Pando, Beni und Tarija die nächsten Autonomie-Referenden an. Im August will Morales über sein Mandat und das der Präfekten aller neun Provinzen abstimmen lassen. Die Fronten seien stärker verhärtet denn je, bestätigt Dietmar Müßig, der Leiter der Diözesanstelle Weltkirche der Diözese Hildesheim. Leider hätten auch die Vermittlungsangebote der Kirche nichts daran geändert, dass die Situation inzwischen verfahren sei. Der Kirche in Bolivien hätte es besser zu Gesicht gestanden, wenn sie statt „Kompromissformulierungen“ in ihren Hirtenbriefen eindeutigere Positionen für die indigene Seite bezogen hätte, sagt Müßig. Stattdessen müsse sie sich nun fragen lassen, ob sie mit ihrer Mittlerhaltung die Position der Opposition gestärkt habe.
Im März hatten die Bischöfe sich in einem Hirtenwort beunruhigt geäußert angesichts „der ideologischen Polarisierung, der übertriebenen einseitigen politischen Diskurse und des Einflusses der radikalen Sektoren“, die einen Dialog gefährdeten.
Bettina Stang
welt-sichten 6-2008