Weltmarktführer ohne Kompass?

Die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) verzeichnet für 2011 einen Geschäftserfolg wie noch nie: rund zwei Milliarden Euro Umsatz, ein Plus von zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. Hauptauftraggeber ist mit großem Abstand weiter das Entwicklungsministerium (BMZ). Aber auch das Drittgeschäft aus Aufträgen von ausländischen und privaten Kunden blüht. Die Opposition sieht zunehmend Interessen- und Zielkonflikte.

„Unser Know-how ist mehr denn je nachgefragt“, freut sich Bernd Eisenblätter bei der Vorstellung der GIZ-Jahresbilanz: in den Industrie-, in den Schwellen- und in den Entwicklungsländern. In dieser Reihenfolge. Auf diesem „Wachstumspfad“ wolle man weiter vorankommen. Der scheidende Vorstandssprecher sieht das Dienstleistungsunternehmen auf bestem Weg zum „Weltmarkführer“ – ein Ziel, das schon bei der Zusammenführung der bisherigen GTZ mit den bis dahin eigenständigen Organisationen Inwent und Deutscher Entwicklungsdienst (DED) Ende 2010 selbstbewusst ausgerufen worden war.

„Ein überraschend gutes Ergebnis“, findet auch Aufsichtsratsvorsitzender Hans-Jürgen Beerfeltz, Staatssekretär im Entwicklungsministerium. Man habe mit der Fusion nicht nur die „Aufsichtsrolle“ des Ministeriums gestärkt; die GIZ habe sich auch weiter in Richtung Privatwirtschaft geöffnet. Fast ein Viertel des Umsatzes stammt heute nicht mehr aus Aufträgen des BMZ und anderen Bundesministerien, sondern aus Kofinanzierungen und kommerziellen Drittgeschäften mit teils staatlich-institutionellen, teils privaten Auftraggebern, die über das Teilunternehmen International Services abgewickelt werden. Tendenz steigend.

Autor

Johannes Schradi

war bis Frühjahr 2013 Berlin-Korrespondent von „welt-sichten“.

So hat die GIZ beispielsweise von der indischen Regierung den Auftrag erhalten, 350 Tonnen Giftmüll aus Bhopal nach Deutschland zu schaffen und dort zu entsorgen. In der indischen Stadt hatte sich 1984 das bislang schwerste Chemieunglück der Geschichte zugetragen. Die GIZ betont aber, dass der Müll mit dem Unfall nichts zu tun habe, sondern aus der normalen Produktion des Chemiewerks stamme. Zudem hat die GIZ mit Sondermüll aus Entwicklungsländern Erfahrung – und einen entwicklungsfördernden Effekt hat die Aktion auch: Betroffen von den Folgen der Chemiekatastrophe und der Verschmutzung sind vor allem arme Slumbewohner. Kritiker weisen allerdings darauf hin, dass es sich bei den 350 Tonnen eher um eine symbolische Menge handelt: Laut Fachleuten sollen am Unglücksort noch 27.000 Tonnen Gift im Erdreich lagern.

Noch schwieriger stellt sich ein anderer Auftrag dar. Zwar hat die GIZ mit den jüngst bekannt gewordenen Tauglichkeitstests deutscher Panzer, die mit Unterstützung der Bundeswehr in Saudi-Arabien stattfinden sollen, nichts zu tun. Bereits im vergangenen Jahr fragte aber die Opposition, warum sich auch die GIZ im Sicherheitssektor dieses „menschenrechtsverachtenden Regimes“ engagiert und im Auftrag des Bundesinnenministeriums, aber auch des Rüstungskonzerns EADS und der saudi-arabischen Regierung GIZ-Berater dabei mitwirken, Sicherheitskräfte mit Videoüberwachungs- und Grenzsicherungstechniken vertraut zu machen.

Entwicklungspolitiker der Opposition, etwa Ute Koczy von den Grünen, fragten sich damals, ob der Kompass der GIZ noch klar und eindeutig ausgerichtet ist: auf Armutsbekämpfung und „globale Gerechtigkeit“, nicht bloß auf lukrative Geschäfte. Und ob die entwicklungspolitischen Grundsätze, die das BMZ als der weiterhin weitaus größte Geldgeber an die Arbeit seiner Durchführungsorganisation anlegt – Achtung der Menschenrechte, keine konfliktverschärfenden Aktivitäten – stets zweifelsfrei gelten.

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erschienen in Ausgabe 8 / 2012: Auf der Flucht
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