Die Paris-Erklärung wird die Entwicklungshilfe nicht sichtbar verbessern Von Tillmann Elliesen
Was macht eigentlich Bono? Der Sänger der irischen Rockband U2 hat in den vergangenen Jahren kaum einen Anlass ausgelassen, um medienwirksam mehr Geld für Afrika zu fordern. Während der Konferenz für eine wirksamere Entwicklungshilfe Anfang September in Accra hingegen war er nicht zu sehen. Das ist ein Versäumnis, denn die armen Länder brauchen nicht mehr, sondern vor allem bessere Hilfe. 0,7 Prozent des Bruttonationalprodukts für Entwicklungspolitik? Ja, aber erst wenn gewährleistet ist, dass das Geld möglichst nutzbringend ausgegeben wird.
Für das Entwicklungsministerium und viele nichtstaatliche Hilfsorganisationen gehört beides zusammen: Die Hilfe müsse erhöht und gleichzeitig verbessert werden. Aber das ist Augenwischerei. Ja, häufig wirkt Entwicklungspolitik deshalb nicht, weil die Handels-, Außen- und Sicherheitspolitik der reichen Länder ihre Ziele durchkreuzen. Ja, es gibt viele sinnvolle Programme und Projekte, die den Armen in Afrika, Asien und Lateinamerika wirklich helfen und deshalb stärker gefördert werden sollten. Und, ja, es ist immer gut, mehr Geld zu haben – erst recht für eine so ehrenwerte Sache wie Entwicklung.
Aber es gibt eben auch die Kehrseite: von Geberinteressen gesteuerte oder einfach nur schlecht durchdachte Großprojekte, die von vornherein zum Scheitern verurteilt sind; eine nicht überschaubare Zahl von multilateralen, staatlichen und nichtstaatlichen Hilfsorganisationen, die in vielen Ländern das Gleiche tun, aber häufig nicht an einem Strang ziehen; Regierungen in den Partnerländern, die mit der Hilfebürokratie völlig überfordert sind, aber das Geld gerne mitnehmen.
Entwicklungshilfe ist längst zu einem Geschäft wie jedes andere geworden. Das ist einer der Gründe dafür, dass sie oft nicht wirkt. Geberländer und Hilfsorganisationen rangeln um Marktanteile, grasen die Entwicklungsländer nach Aufträgen ab, um neue Mittel zu akquirieren oder Restmittel „abfließen“ zu lassen. In Jahresberichten werden stolz steigende Umsätze verkündet, in Hochglanzbroschüren Projekterfolge präsentiert. Zehntausende gut dotierte und interessante Jobs hängen am Wohlergehen der Branche. Die Entwicklungsindustrie von heute ist nicht mehr durchschaubar, geschweige denn steuerbar. Vor diesem Hintergrund immer mehr Geld in das System zu pumpen, setzt falsche Anreize und vergrößert das Problem.
Die 2005 von gut 120 Geber- und Empfängerländern verabschiedete Paris-Deklaration zur Wirksamkeit der Entwicklungshilfe ändert nichts an dieser Struktur. Sie enthält lediglich eine Reihe von bürokratischen Vorgaben – die Geber sollen sich besser untereinander abstimmen und die Hilfe an Verfahren der Entwicklungsländer anpassen. Das könnte helfen, die schlimmsten Auswüchse der Entwicklungsindustrie einzudämmen. Aber dass dadurch die Hilfe sichtbar besser wird, ist nicht zu erwarten.
Und die Empfängerländer? Sie sollen laut der Paris-Deklaration ihre Entwicklung und die Verwendung der Hilfe selbst steuern, nicht die Geber. Aber die Deklaration reduziert dieses Prinzip, so David Booth vom britischen Overseas Development Institute, auf das „Errichten einer bestimmten Art von technokratischem Planungsapparat, gestützt auf langatmige Studien, Kontrollschemata und statistische Informationssysteme“. „Ownership“ politisch verstanden hingegen würde bedeuten, dass die Eliten im Süden sich voll und ganz der Entwicklung ihrer Länder verschreiben – anstatt nur aus taktischen Erwägungen den Vorgaben der Geber zu folgen und die bürokratische Verwaltung der Zusammenarbeit mit ihnen zu übernehmen.
Leider ist das in vielen Ländern nicht der Fall, vor allem in Afrika. Hier auf mehr „Partizipation“ zu setzen, also auf die Beteiligung von Parlamenten und der Zivilgesellschaft, reicht nicht. Denn häufig sind beide viel zu schwach für eine aktivere Rolle. Oder aber auch sie sind vor allem an Entwicklungshilfe und weniger an Entwicklung interessiert.
Die Geber – Regierungen und nichtstaatliche Hilfswerke – kommen deshalb auch künftig nicht umhin, sich in den Empfängerländern einzumischen – „ownership“ hin oder her. Das heißt nicht, dass sie detaillierte politische Bedingungen an die Hilfe knüpfen sollten. Vielmehr müssen sie jene Kräfte aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft im Süden stärken, die ernsthaft an Fortschritt in ihren Ländern interessiert sind.
Tillmann Elliesen ist Redakteur bei „welt-sichten“.
welt-sichten 9-2008