Der „gefährlichste“ Palästinenser

Sari Nusseibeh (mit Anthony David) Es war einmal ein Land. Ein Leben in Palästina Verlag Antje Kunstmann, München 2008, 526 Seiten, 24,90 Euro

Im gegenwärtigen Chaos und der Irrationalität, die innerhalb der palästinensischen säkularen und islamischen Führungselite herrscht, wirkt der Rektor der Jerusalemer Al-Quds-Universität, Sari Nusseibeh, wie ein Fels in der Brandung. Er entstammt einer altehrwürdigen Familie und hat seine akademische Ausbildung in Oxford und Harvard genossen. Von 2001 bis 2002 war er Statthalter der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO in Jerusalem und engagiert sich seit Jahren für den Friedensprozess. 2003 wurde er mit dem Lew-Kopelew-Preis für Frieden und Menschenrechte ausgezeichnet.

Jahrelang wurde Sari Nusseibeh von den israelischen Sicherheitsorganen als der „gefährlichste Palästinenser“ eingeschätzt. Das sagt viel aus über deren sachlich-politische Kompetenz, wenn man die wirklichen Hintergründe kennt. Der Autor war wahrscheinlich deshalb so „gefährlich“, weil man ihn nicht so einfach als „irrational“ oder „Terroristen“ stigmatisieren konnte. Er entsprach nicht dem gängigen Bild, das in Israel für „die“ Palästinenser oder „die“ Araber jederzeit einsetzbar ist und im Westen vielfach kritiklos übernommen wird.

Eloquent schildert Nusseibeh mit Hilfe seines Koautors Anthony David die Geschichte seines Palästina in Art einer Autobiographie. Was er über die israelischen Besatzer schreibt, ist wenig schmeichelhaft, gleichwohl ist es eine bemerkenswerte Erzählung des israelisch-palästinensischen Konfliktes. Er weiß, dass sich dieser 110-jährige Konflikt nur friedlich lösen lässt. Das Buch hebt sich positiv ab von der Erbauungsliteratur zum 60. Gründungsjubiläum Israels. Denn es weist auf die fortdauernde Tragik eines Volkes hin, das der Westen aus seinem kollektiven Gedächtnis verdrängen möchte, das aber sein Recht auf Selbstbestimmung einfordert.

Ludwig Watzal

welt-sichten 9-2008

 

erschienen in Ausgabe 9 / 2008: Sudan: Krieg an vielen Fronten
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