Der Scheich umwirbt die Ärmsten

Klimagipfel
Der Leiter des kommenden Weltklimagipfels hat seine Ziele für diese Konferenz vorgelegt. Die lassen eine problematische Vorstellung von Klimaschutz und eine Charmeoffensive des Golfstaats gegenüber armen Ländern erkennen.

Bernd Ludermann ist Chefredakteur von „welt-sichten“.

Ende November beginnt die nächste UN-Weltklimakonferenz – diesmal in Dubai und geleitet von Sultan Ahmed Al Jaber, dem Industrieminister der Vereinigten Arabischen Emirate. Der hat nun in einem offenen Brief an die Delegierten erklärt, auf welche Ziele er die Konferenz hinsteuern möchte. Als eine seiner Prioritäten nennt er, weltweit das Energiesystem zu dekarbonisieren und den Einsatz fossiler Brennstoffe zu verringern. Alles andere würde jede Klimakonferenz heute auch zur Farce machen. Bemerkenswert ist es dennoch, weil Al-Jaber auch Direktor der staatlichen Ölgesellschaft der Emirate ist und für den früheren US-Vizepräsidenten Al Gore deshalb der falsche Mann als Leiter einer Klimakonferenz

Al-Jaber ist jedoch zugleich Gründer und Chef eines Unternehmens, das weltweit in erneuerbare Energien investiert. Als Leiter des Klimagipfels fordert er nun, dass man Entwicklungsländern die Technik und das nötige Kapital für die Energie-Transition gibt. Das ist sinnvoll. Al-Jaber stellt als Vorbild dafür allerdings die Emirate und ihre Investitionen weltweit hin, die aus Ölmilliarden stammen. Seine Devise ist, Klimaschutz zu betreiben, sofern er sich rentiert, und fossile Anlagen nur stillzulegen, sobald neue „grüne“ gebaut sind. Das Ergebnis dieses Rezepts: Den Klimaschutz in dem Golfstaat bewertet der Climate Action Tracker als „hochgradig ungenügend“; pro Kopf sind die Emissionen noch mehr als doppelt so hoch wie in China oder Europa.

Ärmste Länder sollen mehr Geld für Klima-Anpassung bekommen

Zudem scheint in Al-Jabers Brief ein gezieltes Werben um die armen und ärmsten Länder durch: Er will die zersplitterte Landschaft der Klimafinanzierung grundlegend reformieren, damit Schwellen- und Entwicklungsländer jedes Jahr 2400 Milliarden US-Dollar für Klimaschutz zu guten Bedingungen erhalten. Der Gipfel solle zudem dafür sorgen, dass sie auch mehr Geld für Klima-Anpassung bekommen und der geplante Fonds, der Schäden und Verluste ausgleichen soll, die Arbeit aufnimmt. Und Al-Jaber mahnt ausdrücklich, die Industrieländer sollten ihre Finanzzusagen erfüllen. 

Das ist berechtigt, aber auch ein diplomatischer Schachzug. Entwicklungsländer bilden in der globalen Klimapolitik längst keinen einheitlichen Block mehr. Ein Streit schwelt über die Rolle aufstrebender Schwellenländer: Die Golfstaaten gelten ebenso wie China nach der Klimarahmenkonvention von 1992 als Entwicklungsländer, die nicht der besonderen Verantwortung der Industriestaaten für Klimaschutz und Klimafinanzierung unterliegen. Der Klimagipfel in Paris hat das zwar dahingehend geändert, dass nun alle Staaten freiwillige Minderungsziele erklären müssen. Schon damals aber war zu hören, dass die Einstufung Chinas und der reichen Ölstaaten in dieselbe Kategorie wie zum Beispiel Niger und Nepal obsolet sei. Unter der Hand äußerten auch arme Länder Unmut über die Weigerung der Golfstaaten, eigene Emissionen stärker zu senken, stellten das aber zugunsten einer geschlossenen Position gegen die Industriestaaten zurück. Und auf dem jüngsten Klimagipfel Ende letzten Jahres in Ägypten haben Golfstaaten sich mit der Weigerung, ein Ende der Nutzung von fossiler Energie festzuschreiben, unter für Klimafolgen verwundbaren Ländern im Süden keine Freunde gemacht. 

Dadurch, dass Al-Jabers Programm den Akzent sehr stark auf Geld legt und dabei demonstrativ den globalen Süden stützt, beugt er erneutem Druck von dieser Seite vor. Wenn der Westen fordert, die Golfstaaten müssten mehr leisten, dann werden die den armen Süden mit der Unterstützung bei der Klimafinanzierung auf ihre Seite locken. Auf Klimakonferenzen wird stets um solche Koalitionen gerungen. Al-Jabers Programm bringt die Golfstaaten dafür in eine bessere Ausgangsposition. 

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