Kritik an Klimakompensation

LILLIAN SUWANRUMPHA/AFP via Getty Images
In Bangkoks Innenstadt wartet ein topmoderner E-Bus an einer Haltestelle auf Passagiere. Die Schweiz fördert den Umstieg auf elektrisch angetriebene Busse in Thailands Hauptstadt und lässt sich die dadurch eingesparten CO2-Emissionen gutschreiben - zu Unrecht, sagen Kritiker.
Schweiz
Die Schweiz ist eines der wenigen Länder auf der Welt, das seine CO2-Emissionen über Projekte im Ausland kompensiert. Analysen bereits laufender Projekte werfen allerdings Fragen auf, ob das wirklich dem Klimaschutz dient.

Bis 2030 will die Schweiz ihre CO2-Emissionen halbieren, davon soll rund ein Drittel über Reduktionen im Ausland erreicht werden. Seit dem Pariser Klimaabkommen von 2015, das den Ländern in Artikel 6 solche Kooperationen zum Erreichen ihrer Klimaziele erlaubt, hat die Schweiz mit vierzehn Ländern Abkommen geschlossen, darunter mit Vanuatu, Georgien, Peru und Ghana. So werden in Ghana klimafreundlichere Methoden für den Reisanbau gefördert. Die dadurch eingesparten Emissionen werden der Bundesverwaltung der Schweiz gutgeschrieben.

Die EU akzeptiert diese Art Kompensation nicht, da der Klimahandel anfällig für Fehler und Missbrauch ist: Laut Untersuchungen noch aus der Zeit vor dem Paris-Abkommen  haben drei Viertel der CO₂-Zertifikate auf dem zwischenstaatlichen Markt, der damals noch unter dem Kyoto-Protokoll lief, weniger Emissionsreduktionen erbracht als ausgewiesen waren. Zudem war häufig das Kriterium der Zusätzlichkeit nicht erfüllt. Demnach dürfen nur solche Projekte CO2-Zertifikate ausgeben, die ohne das zusätzliche Geld nicht umgesetzt worden wären.

Auch bei den Kompensationsprojekten der Schweiz ist fraglich, ob diese Zusätzlichkeit gegeben ist. Bereits 2021 hat die Organisation The New Climate Institute das für ein Projekt in Georgien in Zweifel gezogen. Dort unterstützt die Schweiz die Sanierung öffentlicher Gebäude, die dadurch energieeffizienter werden, und will sich die vermiedenen Emissionen selbst anrechnen lassen. Die Untersuchungen des Instituts zeigen jedoch, dass Georgien diese vermiedenen Emissionen bereits unabhängig von der Förderung aus der Schweiz in Vereinbarungen mit der EU in eigenen Reduktionsplänen ausgewiesen hat.

Wären die E-Busse in Bangkok auch ohne Geld aus der Schweiz gekommen?

In einem Projekt mit dem Titel „Bangkok E-Bus Programm“ unterstützt die Schweiz in Thailands Hauptstadt Bangkok zwei private Busunternehmen, die Busflotte von Diesel- auf Elektrofahrzeuge umzustellen. Damit sollen bis 2030 insgesamt 500.000 Tonnen CO2 eingespart werden. Seit Herbst 2022 nutzen die beiden Firmen neue Busse. Alliance Sud, ein Zusammenschluss von sechs Schweizer NGOs, und das Hilfswerk Fastenaktion haben das Projekt untersucht und festgestellt: Auch hier ist die Zusätzlichkeit nicht gegeben, denn die Unternehmen hätten in den nächsten Jahren ohnehin in E-Busse investiert. Bereits bevor die Schweiz und Thailand den Vertrag im Juni 2022 besiegelten, habe eines der Unternehmen laut Online-Medienberichten Elektrobusse eingesetzt. Es müsse also bereits vor dem Programm Finanzierungswege dafür gegeben haben. Zudem hat laut einer Recherche von „Das Magazin“, das vier Schweizer Tageszeitung wöchentlich beiliegt, die thailändische Regierung bereits vor sieben Jahren beschlossen, alle Verbrenner bis 2025 durch E-Busse zu ersetzen.

Kurz vor Jahresende hat auch Caritas Schweiz eine Studie zu einem Kompensationsprojekt der Schweiz in Peru veröffentlicht. Es soll rund 60.000 Haushalte im bäuerlich geprägten peruanischen Hochland mit energieeffizienten Kochherden versorgen. Diese benötigen weniger Brennholz und stoßen damit weniger Treibhausgase aus. Die Autorisierung des Projekts läuft noch, trotzdem wurden im Auftrag der Schweizer Stiftung Klimaschutz und CO2-Kompensation – kurz KliK –, die für die Kompensation zuständig ist, bereits mehrere Tausend Kochöfen in den Anden gebaut.

Die Resultate zeigen zwar, dass die Herde bei den Familien gut ankommen und genutzt werden. Doch auch hier wird die Zusätzlichkeit in Frage gestellt: So seien effiziente Kochöfen in Peru bereits weit verbreitet, der peruanische Staat wie auch NGOs setzen seit Jahren darauf, um Emissionen zu reduzieren. Die Studie listet verschiedene Projekte auf, in denen zwischen 2008 und 2021 über 680.000 energieeffiziente Kochherde in Peru installiert wurden.

In Peru schnappt die Schweiz sich günstige Zertifikate

Die Studie kritisiert zudem, dass die Bäuerinnen nur ungenügend über den Kompensationsmechanismus aufgeklärt würden, gleichzeitig aber mit der Teilnahme am Projekt ihr Recht auf die Emissionen an die Schweiz abträten. Das ist problematisch, denn Kompensationsabkommen sollen nicht dazu beitragen, dass reiche Länder den ärmeren Ländern die einfachsten und günstigsten CO2-Einsparungsprojekte wegschnappen. Genau das kritisiert Angela Lindt, Leiterin Entwicklungspolitik von Caritas Schweiz, mit Blick auf das Kochherde-Projekt: „Der Umgang mit der Klimakrise wird für Peru zu einer kaum zu stemmenden Herausforderung, wenn die reiche Schweiz die kostengünstigen Klimaschutzmaßnahmen für sich beansprucht.“ 

Schweizer Behörden haben bisher kaum auf die Kritik reagiert. Auf Anfrage von „welt-sichten“ schreibt das Bundesamt für Umwelt (BAFU) lediglich, Klimaschutzprojekte im Ausland müssten hohen Standards genügen und würden regelmäßig überprüft. Die Zusätzlichkeit sei ein wichtiger Bestandteil davon, und beim E-Bus-Projekt in Bangkok sei diese „aus Sicht des BAFU“ auch gegeben.

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