Wenn Klimaschutz Landrechte verletzt

SOPA Images/LightRocket via Getty Images/SOPA Images
Eine Frau trägt Baumsetzlinge in einer Tasche auf ihrem Rücken, die in einem abgeholzten Gebiet im Mau-Wald in Kenia gepflanzt werden sollen. Vor allem Staaten und Unternehmen aus dem globalen Norden wollen ihre CO2-Emissionen kompensieren, indem sie CO2-Zertifikate zum Beispiel für Aufforstungsprojekte in Afrika kaufen. Die Regierungen dieser Länder erhoffen sich dadurch Einnahmen, doch die Landnahme geschieht oft zu Lasten der lokalen Bevölkerung.
CO2-Emissionen
Staaten in Afrika versprechen sich aus dem Handel mit Emissionszertifikaten wichtige Einnahmen, doch oft geht die geänderte Landnutzung auf Kosten der lokalen Bevölkerung. Ein Thema auch für die deutsche Entwicklungspolitik.

Staaten und Unternehmen aus dem globalen Norden erwerben zunehmend CO2-Zertifikate, die zum Ausgleich eigener klimaschädlicher Emissionen auf unregulierten Märkten gehandelt werden. Sie werden etwa für die Speicherung von Kohlendoxid in Bäumen oder Böden angeboten. Dafür wird teils Ackerland mit Bäumen bepflanzt, teils werden Waldflächen aufgeforstet und zu Schutzgebieten erklärt. Bei der Vorstellung des neuen Bodenatlas der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung vor wenigen Wochen forderte Stiftungsvorständin Imme Scholz einen „rechtebasierten Umgang“ mit solcher Landnahme. Sonst setzten sich allein wirtschaftliche Kräfte durch. „Wir sehen hier das Entwicklungs- und das Landwirtschaftsministerium in der Verantwortung“, sich dafür stark zu machen, sagte Scholz. 

Auch Jes Weigelt, Experte beim TMG Thinktank  für Ernährungsfragen, warnt vor rücksichtlosen Landnutzungsänderungen. „Es sollen neue Wälder angepflanzt werden auf Flächen, die gegenwärtig bewirtschaftet werden.“ Dies könne mit bestehenden Landrechten von Bauern, Hirten und indigenen Gemeinschaften kollidieren. Gegenwärtig entstehen Weigelt zufolge „neue Abhängigkeiten“ in Ländern wie Benin, Kenia, Malawi oder Madagaskar. Simbabwe habe ganze 20 Prozent seiner Landfläche an ein Unternehmen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) übertragen, sagt Weigelt. 

Unternehmen aus VAE pachten Waldflächen in Afrika

Laut einem Bericht der Schweizer Tageszeitung NZZ regt sich Kritik in einigen afrikanischen Ländern, in denen besonders das VAE-Unternehmen Blue Carbon, geleitet von einem Mitglied der Herrscherfamilie, riesige Waldflächen pachte. Auch Sambia, Tansania und Liberia erhofften sich Einnahmen aus Vereinbarungen mit Blue Carbon. Zusammen umfassten die Pläne Landflächen in Afrika mehr als fünfmal so groß wie die Schweiz. In Kenia hat die Regierung laut NZZ aus einem Projektgebiet Dorfbewohner vertreiben lassen. In Liberia gehe es um eine Million Hektar und den Lebensraum von etwa einer Million Menschen, ohne dass vorher die Gemeinden kontaktiert wurden. 

Die Glaubwürdigkeit von Zertifikaten aus Waldschutzprojekten auf dem unregulierten Markt ist umstritten. Der Privatsektor drängt daher darauf, dem freiwilligen Handel Regeln nach Artikel 6 des Pariser-Klimaabkommens zu geben, der bisher den zwischenstaatlichen Emissionsmarkt regelt. Diese Regeln müssten mit den UN-Leitlinien zur verantwortlichen Verwaltung von Boden- und Landnutzungsrechten, Fischgründen und Wäldern (VGGT) in Einklang gebracht werden. Diese sind eine wichtige Säule des seit 2004 global verbrieften Rechts auf Nahrung. 

Der Bodenatlas weist darauf hin, dass die nationalen Klimaschutzverpflichtungen fast aller Mitglieder der Klimarahmenkonvention naturbasierte Maßnahmen enthalten, die zusammengerechnet einen Flächenbedarf von 1,2 Milliarden Hektar ergäben – fast die dreifache Fläche der EU. Für etwa die Hälfte davon müsste voraussichtlich die Landnutzung geändert werden, also etwa Agrar- in Forstland umgewandelt werden. „Eine Zunahme an Konflikten um Land und Boden ist vorprogrammiert“, sagt Experte Weigelt. „Verlierer werden die Schwächsten, die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern und die indigenen Bevölkerungsgruppen sein.“ Um das zu verhindern, muss laut Bodenatlas der Schutz von Landrechten „integraler Bestandteil zukünftiger Klimapolitik sein“.

Landwirtschaftsminister sprechen sich für Besitzrechte von Indigenen aus

Die Bundesregierung setzt sich in ihrer Entwicklungspolitik seit langem für sichere Landbesitzrechte ein und ist unter anderem einer der stärksten Unterstützer des UN-Übereinkommens zur Bekämpfung der Wüstenbildung, dessen Sekretariat in Bonn sitzt. Dennoch bemängelte die Menschenrechtsorganisation FIAN schon im vergangenen Jahr bei einer Anhörung im Bundestag, dass in der Landpolitik der deutschen Entwicklungsarbeit zentrale völkerrechtliche Standards wie die VGGT oder die UN-Erklärung zu den Rechten von Kleinbauern UNDROP „kaum Anwendung finden“. Um das zu ändern, könnte laut FIAN die Arbeitsgruppe Land, der das Entwicklungsministerium, das Landwirtschaftsministerium und einige nichtstaatliche Organisationen angehören, aufgewertet und mit einem Umsetzungsplan beauftragt werden.

Am Rande der Grünen Woche im Januar in Berlin sprachen sich beim diesjährigen Global Forum for Food and Agriculture 60 Landwirtschaftsminister für die Stärkung von Besitzrechten von indigenen und lokalen Gemeinschaften aus und bezogen sich auf die VGGT. Tansania und Sambia waren nicht dabei. 

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