Afghanistan: Gemeinsames Ziel, getrennte Wege

Entwicklungsminister Dirk Niebel will die zivilen Hilfsorganisationen in Afghanistan stärker mit dem Militär vernetzen. Wer nicht mitmache, müsse mit Mittelkürzungen rechnen, droht er. Die Deutsche Welthungerhilfe lehnt diese Kooperation nach wie vor ab. Ein gewisses Maß an Koordination sei aber durchaus geboten, sagt Generalsekretär Wolfgang Jamann.

Wird die Welthungerhilfe den Forderungen von Minister Niebel nach einer engeren Zusammenarbeit mit dem Militär in Afghanistan nachgeben?

Nein. Die Welthungerhilfe ist in der Vergangenheit sehr distanziert gewesen und wird das auch in  Zukunft sein. Es wird weder eine enge Zusammenarbeit noch einen engen Informationsaustausch geben.

Zivile Helfer sollen nun aber im Kampfgebiet aktiv sein. Erzwingt das nicht einen engeren Schulterschluss?

Die Welthungerhilfe arbeitet im Norden des Landes, auch dort, wo Deutschland das Kommando hat. Aber von kämpfenden Truppen halten wir Abstand. Absprachen mit der internationalen Schutztruppe für Afghanistan ISAF, der Botschaft und anderen werden getroffen, wenn es zu Evakuierungen kommt oder sich die Sicherheitslage dramatisch verschlechtert. Das war schon immer so.  

Ihre Vorsitzende Bärbel Dieckmann hat sich nach einem Besuch in Afghanistan gegen eine Kooperation aber für mehr Koordination mit dem Militär ausgesprochen.   

Wir stimmen uns mit staatlichen Stellen ab. Unser Ansprechpartner ist der Koordinator des Entwicklungsministeriums in Mazar-e-Sharif, nicht das Militär. Mehr wird von uns auch nicht gefordert.

Minister Niebel hat aber gedroht, Hilfsorganisationen, die an der strikten Trennung von Militär und ziviler Hilfe festhalten wollen, die staatlichen Zuschüsse zu kürzen.

Wir haben im BMZ nachgefragt, was gemeint ist, wenn von „vernetzter Sicherheit“ die Rede ist.  Gemeint ist hauptsächlich, dass man ähnliche Zielssetzungen verfolgt, nämlich Befriedung.  Dies soll mit einer gewissen Koordination geschehen, aber doch bei klarer Trennung der Mittel: militärisches Engagement hier, zivile Aufbauarbeit dort.

Sie sehen sich also nicht in der Situation, sich Forderungen beugen zu müssen?

Wenn der Minister fordert, sich im Norden Afghanistans besonders zu engagieren, haben wir damit kein Problem. Wir tun das seit längerem. Und das BMZ finanziert das, ohne inhaltliche Vorgaben zu machen oder uns gar mit der Bundeswehr zu koordinieren. Wir wiederum sprechen gar nicht ab, dass es auch die internationalen Truppen geben muss, um das Land in der Verfassung, in der es augenblicklich ist, zu stabilisieren.

Das Gespräch führte Johannes Schradi.

erschienen in Ausgabe 7 / 2010: Andenländer, alte Kulturen neue Politik
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