Liebe als Straftat

Amnesty International berichtet über zunehmende Homophobie in Afrika
Amnesty International berichtet über zunehmende Homophobie in Afrika

(25.6.2013) In vielen afrikanischen Staaten sind sexuelle Minderheiten Gewalt und Verfolgung ausgesetzt. In 38 Ländern südlich der Sahara stehen homosexuelle Handlungen unter Strafe, viele Regierungen wollen die Gesetze sogar noch verschärfen. Es fehle vor allem der politische Wille, endlich gegenzusteuern, sagt Franziska Ulm-Düsterhöft, Afrikaexpertin bei der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI), zu „welt-sichten“.  Druck aus dem Westen könne allerdings eher kontraproduktiv sein und das Risiko für Homosexuelle noch erhöhen. 

Homosexualität gelte in vielen afrikanischen Ländern als „unafrikanisch“ und „westlich“, erklärt Ulm-Düsterhöft. Dabei seien die meisten homophoben Gesetze aber ein direktes Erbe des Kolonialismus: „Mehr als 40 afrikanische Ethnien tolerierten zum Beispiel die Ehe zwischen Frauen.“ Als die Kolonialmächte abzogen, blieben die Verbote bestehen. „Für Europa und die USA ist es daher schwer, Einfluss zu nehmen“, sagt die AI-Expertin.

„Forderungen können eher zur Verschärfung der Stimmung führen, indem sie die Aufmerksamkeit auf sexuelle Minderheiten lenken und damit ihr Risiko, Opfer von Gewalt zu werden, noch erhöhen.“ Nötig seien daher „stille Diplomatie“, Aufklärungsarbeit und eine Verbesserung der Bildungsstandards. Wenn sich Afrikaner outeten, seien es meist „eher Jüngere, die einer höheren sozialen Schicht angehören und einen hohen Bildungsgrad haben“.

„Es würde helfen, wenn aus den USA keine Hassprediger mehr kämen“

Die Realität in Ländern wie Uganda, Kenia oder Kamerun hat Amnesty jetzt in dem Report „Wenn Liebe zum Verbrechen wird“ dokumentiert. Darin wird die jeweilige Gesetzeslage untersucht und das Leben von Schwulen, Lesben, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen beschrieben. Sogar im „weltweiten Vorzeigeland Südafrika“ sei es problematisch, sagt Ulm-Düsterhöft zu „welt-sichten“: „Hier ist zwar die gleichgeschlechtliche Ehe erlaubt, und es besteht auch das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare“ – über das sich europäische Länder wie Frankreich gerade streiten. „Aber die südafrikanische Gesellschaft hat diesen politischen Prozess nicht mitvollzogen: Es gibt eine hohe Rate von Gewaltübergriffen auf Homosexuelle, und laut Umfragen lehnen rund 80 Prozent der Bevölkerung Homosexualität ab.“

Die Medien trügen dazu bei, dass sich die Debatte in Ländern wie Uganda verschärfe: „Sie veröffentlichen Namenslisten und stellen Homosexuelle an den Pranger.“ Immerhin habe ein Gericht Hetzkampagnen wie die der ugandischen Zeitung „Rolling Stone“ untersagt; das Blatt hatte vor zwei Jahren die Namen von 100 Homosexuellen veröffentlich und dazu aufgerufen, sie zu töten.

In Kamerun würden Politiker öffentlich beschuldigt, homosexuell zu sein. „Das führt aber nicht dazu, dass sich einer mal outet“, erklärt die Expertin. „Es wird einfach nur dementiert – mit Hilfe von juristischem Beistand und viel Geld.“ In Kenia wiederum sei Homosexualität zwar ein Straftatbestand und könne mit bis zu 14 Jahren Haft bestraft werden. „Zur Anklage kommt es aber praktisch nie. Sicherheitskräfte wollen durch willkürliche Verhaftungen nur Schmiergeld erpressen.“

Zur Verschlimmerung der Lage trügen auch „evangelikale oder anglikanische Kirchengemeinschaften in Afrika und den USA“ bei, die „Homosexualität als Krankheit verurteilen, mit Pädophilie gleichsetzen und die homophobe Stimmung anheizen“, sagt Ulm-Düsterhöft: „Da wäre es schon ein hilfreicher Schritt, wenn aus den USA wenigstens keine Hassprediger mehr nach Afrika reisen würden.“ Nicht zuletzt sei es aber auch die „simple Furcht vor dem Unbekannten“, die zur Diskriminierung sexueller Minderheiten  führe – im aufgeklärten Westen ebenfalls ein noch weit verbreitetes Problem. (osk)

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