(22.7.2013) Der westliche Lebensstil bringt die Erde in Gefahr – die Forderungen nach einer nachhaltigen Entwicklung werden lauter. In Ländern wie Bolivien und Ecuador gilt das Konzept des „guten Lebens“ als Basis für ein verträgliches Zusammenleben der Völker und den achtsamen Umgang mit der Natur. Doch ganz so harmonisch wie in der Theorie sieht es in der Praxis nicht immer aus, zeigen zwei aktuelle „welt-sichten“-Beiträge.
„Wenn ich in ein Land wie Deutschland komme, sehe ich, dass überall geplant wird – kurz-, mittel- und langfristig. Aber wohin wollt Ihr Euch denn entwickeln?“, fragt Ampam Karakras, Berater des Indigenen-Verbandes CONAIE, im Gespräch mit „welt-sichten“. Der Süden imitiere den Norden – „obwohl wir gar nicht wissen, wohin Ihr wollt“, kritisiert der Ecuadorianer. Die Verfassung seines lateinamerikanischen Heimatlandes gilt als fortschrittlich, denn sie entspricht in weiten Teilen dem Konzept des „guten Lebens“ – sie räumt der Natur Rechte ein, stärkt indigene Kulturen und will eine nachhaltige Entwicklung fördern. Karakras beklagt aber, dass diese Rechte nicht immer „in unserem Sinne angewendet werden“, etwa bei der Ausbeutung natürlicher Ressourcen wie Erdöl. Die Regierung spreche zwar im Namen aller Ecuadorianer, missachte aber die Belange einzelner Völker.
Die Post-2015-Debatte brauche den Zugang zu alternativen Wissensarten
Zu einem ähnlichen Schluss kommt Beat Dietschy, Zentralsekretär der Schweizer Hilfsorganisation „Brot für alle“. Tatsächlich habe das Konzept des „guten Lebens“ weit über Ecuador und auch Bolivien hinaus Einzug gehalten in die Suche nach alternativen Wirtschafts- und Gesellschaftsformen. Beide Länder verfolgten das Prinzip aber nicht völlig konsequent, schreibt Dietschy in „welt-sichten“. Die Regierungen setzten weiter auf Rohstoffexporte und Kooperation mit den Multis, um ihre Sozialpolitik finanzieren zu können.
Dennoch zeige das Konzept eine große Lücke in der Debatte über neue Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsziele auf: „Auch wenn es dabei um soziale und ökologische, nicht nur um ökonomische Nachhaltigkeit geht, bleiben die kulturellen, ethischen und religiösen Aspekte und Voraussetzungen weitgehend ausgespart“, beklagt Dietschy. Die Suche nach globalen Zielen brauche dringend den Dialog auf lokaler Ebene und den Zugang zu alternativen Wissensarten. (osk)
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