Ein Freiwilligendienst wie jeder andere?

Misereor und andere Träger fürchten um das Profil von „weltwärts“
Misereor und andere Träger fürchten um das Profil von „weltwärts“

(10.02.2014) Wird der entwicklungspolitische Freiwilligendienst „weltwärts“ künftig nicht mehr im Entwicklungs-, sondern im Familienministerium angesiedelt? Davor warnt das katholische Hilfswerk Misereor. Geschäftsführer Thomas Antkowiak fürchtet, das Freiwilligenprogramm würde dann nicht mehr mit der nötigen Expertise gesteuert. „weltwärts“ ermöglicht seit 2008 jungen Menschen, für ein Taschengeld in einem Entwicklungsland rund ein Jahr etwa in sozialen Einrichtungen oder Umweltprojekten mitzuarbeiten.

Rund 180 nichtstaatliche Organisationen – Entwicklungswerke wie Misereor, aber auch Friedensdienste und Vereine mit Beziehungen in einzelne Entwicklungsländer – vermitteln Freiwillige an Partner im Süden. Die Kosten von rund 30 Millionen Euro im Jahr trägt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).

Dass „weltwärts“ nun zum Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) kommen soll, ist schon im Koalitionsvertrag vom Dezember 2013 niedergelegt: Darin heißt es, man wolle die Zuständigkeit für alle geregelten Auslands-Freiwilligendienste im BMFSFJ bündeln. Misereor äußert seine Bedenken jetzt öffentlich, weil zwischen beiden Ressorts Gespräche über die Umsetzung dieser Absicht begonnen hätten, ohne die Träger von „weltwärts“ einzubeziehen, erklärt Thomas Antkowiak.

Ob das zutrifft, beantworten  die Ministerien nicht. Eine Sprecherin des BMZ erklärt jedoch: “Wir sehen ‚weltwärts‘ durch die Vereinbarung im Koalitionsvertrag nicht berührt. Auch im Organisationserlass der Bundeskanzlerin findet sich keine einschlägige Festlegung.“ Das heißt wohl: Das BMZ möchte „weltwärts“ behalten.

Der Etat für "weltwärts" könnte schrumpfen

Auf den ersten Blick ist die angestrebte Bündelung nicht ganz abwegig. Das Familienministerium ist nicht nur für Freiwilligendienste im Inland wie das Freiwillige Soziale Jahr zuständig. Es hat Anfang 2011 auch den Internationalen Jugend-Freiwilligendienst (IJFD) geschaffen, mit dem rund 130 freie Träger junge Menschen ins Ausland senden – auch in Entwicklungsländer. Etliche Träger vermitteln gleichzeitig Jugendliche unter „weltwärts“, und die Einsätze selbst sind in der Praxis recht ähnlich.

Als Folge einer Bündelung im BMFSFJ fürchtet Antkowiak jedoch einen Verlust an entwicklungspolitischer Kompetenz. Das BMZ prüfe unter entwicklungspolitischen Gesichtspunkten, in welche Länder „weltwärts“-Freiwillige gehen, und nimmt Einfluss auf die Wahl der lokalen Partner. Die Fachkenntnisse dafür besitze das Familienministerium nicht.

Darüber hinaus sieht er die Gefahr, dass der Etat für „weltwärts“ nach Übertragung ins BMFSFJ schrumpft. Und schließlich sei „weltwärts“ zwar wie der IJFD ein Lerndienst: Die Freiwilligen sollen nicht in erster Linie Entwicklungshilfe leisten, sondern selbst Erfahrungen machen. Aber der Akzent auf globalem Lernen und Entwicklungspolitik unterscheide es von anderen Freiwilligendiensten und müsse erhalten bleiben. Dies liege auch im Interesse der Partner im Süden, die Einsatzplätze zur Verfügung stellen.

Träger: Förderung von Süd-Partnern muss weitergehen

Nicht alle Träger von „weltwärts“ lehnen eine Überführung ins Familienministerium klar ab. Mit Stellungnahmen ist man zurückhaltend, die Diskussion ist nicht abgeschlossen. Beide Programme haben für unterschiedliche Träger verschiedene Vor- und Nachteile: Der IJFD hat weniger Geld als „weltwärts“, die Förderung ist aber auch mit weniger Aufwand und Auflagen verbunden. Für kleinere Träger, die an beiden Programmen teilnehmen, können einheitliche Rahmenbedingungen eine Erleichterung sein. Es entfiele aber die Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Fördertöpfen.

Die Sorge um den entwicklungspolitischen Anspruch des Dienstes wird jedoch von vielen geteilt. Im evangelischen Forum entwicklungspolitischer Freiwilligendienst (efef) sind nicht alle grundsätzlich gegen die Übertragung ans BMFSFJ. Sie sind aber einig, was in jedem Fall bewahrt werden muss, erklärt Sprecher Jan Gildemeister: Der Etat dürfe nicht schrumpfen, und es müssten weiter auch „weltwärts“-Partner im Süden gefördert werden sowie das entwicklungspolitische Engagement früherer Freiwilliger zu Hause. Beides unterscheide „weltwärts“ vom IJFD. Laut Gildemeister haben deshalb manche Träger ihre Rückkehrer-Arbeit deutlich aufgewertet.

Hier scheint die Frage, welches Ministerium zuständig ist, in der Tat wichtig. Das BMZ hat „weltwärts“ nicht zuletzt geschaffen, damit zurückgekehrte Freiwillige in Deutschland das Verständnis und die Unterstützung für entwicklungspolitische Anliegen stärken – und damit auch für die Arbeit des BMZ. Das kann kein vordringliches Interesse des BMFSFJ sein. Es soll sich nicht mit globalen Problemen befassen, sondern die Chancen von deutschen Jugendlichen verbessern. Unter diesem Gesichtspunkt dürfte es „weltwärts“ in erster Linie behandeln. Hinter den Kulissen, so scheint es, ist das Ringen um die Zukunft dieses Freiwilligendienstes eröffnet.

Bernd Ludermann

Länder

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