Das Recht des Stärkeren

Andreas Fischer-Lescano, Kolja Möller
Der Kampf um globale soziale Rechte.
Zart wäre das Gröbste

Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2012,
95 Seiten, 14,90 Euro


Andreas Fischer-Lescano und Kolja Möller zeigen auf, wie das globale Recht zu den gegenwärtigen Krisen beigetragen hat. Sie fordern, soziale Rechte zu stärken und zu erweitern.

Hunger, Umweltschäden, Migration, Finanzmarktkrisen und die wachsende soziale Ungleichheit – die Weltgesellschaft steht vor gewaltigen Problemen. Die Konfliktlinien verlaufen nicht mehr entlang nationalstaatlicher Grenzen, sondern sind miteinander verwoben. Andreas Fischer-Lescano, Professor für Öffentliches Recht, Völkerrecht und Rechtstheorie an der Uni Bremen und sein wissenschaft licher Mitarbeiter Kolja Möller zeigen auf, dass auch das Recht aktiv an diesen Missständen beteiligt ist: „Das globale Recht hat die Krisensituation ermöglicht und befördert“, schreiben sie.

Die Wurzel des Übels sehen die Autoren in der neoliberalen Rechtsentwicklung auf internationaler Ebene seit den 1970er Jahren, mit dem Ergebnis „einer einseitigen Ausgestaltung des globalen Rechts“, das die weltwirtschaft lichen Transaktionen absichert. Gestützt auf weltumspannende Verträge, der sogenannten lex mercatoria, bewegen sich transnationale Unternehmen auf den globalen Märkten. Weltweit agierende Anwaltsfirmen bieten das juristische Know-how zur Durchsetzung von Geschäftsinteressen. Die Protagonisten der Entwicklung sind Institutionen wie die Welthandelsorganisation WTO, die Weltbank oder der Internationale Währungfonds IWF. Sie bestimmen die Regeln und sind deren Nutznießer.

Auf den liberalisierten Märkten spielten soziale Rechte kaum eine Rolle, kritisieren die Autoren. Sie würden in unverbindlichen Verhaltenskodizes zu freiwilligen Selbstverpflichtungserklärungen herabgestuft. Fischer-Lescano und Möller fordern eine Globalisierung der sozialen Rechte. Sie knüpfen an die sozialen Menschenrechte an und deren Erweiterung im Sinne einer Konzeption, die auch Umweltrechte, Migrationsrechte und das Recht auf die Sicherung des Existenzminimums umfasst. Sie müssten langfristig gestärkt und institutionell verankert werden. Nötig seien Strukturen, auf die eine soziale Rechtspolitik aufbauen kann.

Dazu nennen sie eine Vielzahl von Anknüpfungspunkten. Ziel ist eine europäische Sozial- statt Wirtschaftsunion, eine Welt, die sich an die Regeln des UN-Sozialpaktes hält, und in der Unternehmen für ihre sozialen und ökologischen Vergehen zur Verantwortung gezogen werden. Die fast unlösbare Aufgabe dieses rechtspolitischen Projektes besteht darin, sich weder von der Macht der anderen noch von der eigenen Ohnmacht dumm machen zu lassen, wie die Autoren mit Theodor W. Adorno feststellen. Aus der Empörung angesichts der gegenwärtigen Lage der Welt haben sie auf hohem politischen Niveau ein ebenso sachliches wie anspruchsvolles Werk geschrieben.


Dieter Hampel

 

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