Retterin der westlichen Dominanz

Dambisa Moyo
Der Untergang des Westens.
Haben wir eine Chance in der neuen Wirtschaftsordnung?

Piper Verlag, München 2012,
304 Seiten, 16,99 Euro


Die Entwicklungshilfe-Kritikerin Dambisa Moyo will in ihrem neuen Buch den Westen vor dem drohenden Untergang bewahren. Ihrer Mischung aus Fakten, Zahlen, Geschichten und Elementen ökonomischer Theorien fehlt aber oft der rote Faden.

Armut und Abhängigkeit war schon bei ihrem vorigen Bestseller „Dead Aid“ Dambisa Moyos großes Thema. Aber da prangerte sie die Entwicklungshilfe für Afrika an. Diesmal ist es der Westen selbst, dem sie Not und Hilfsbedürft igkeit vorhersagt: Sie prophezeit ihm nicht weniger als seinen Untergang. Doch die Retterin naht: „Moyo sagt, was wir tun müssen. Und zwar jetzt“, heißt es im Klappentext des Buches. Die Aufmachung verheißt ein wegweisendes, bahnbrechendes und spannendes Werk. In Wirklichkeit ist es ein schlecht lesbares Buch, das vor allem eines erfolgreich tut: verkaufsfördernd provozieren.

Moyo hat viel zusammengemischt an Fakten, Zahlen, Geschichten, Elementen ökonomischer Theorien und Kritik an Europa und den USA. Der rote Faden ist oft schwer erkennbar. Im Kern geht es darum, dass der Westen gegenüber China und den Schwellenländern an Boden verliert. Und dass die aufstrebenden Länder in Moyos Augen etwas haben, das der Westen nicht hat: „den politischen Mut und Eifer, Entscheidungen voranzutreiben, die ihre Gesellschaft en weiterbringen“. Insbesondere bewundert die Autorin die chinesische Regierung, denn die greife „gezielt und entschieden“ durch. Und das, findet Dambisa Moyo, ist von Vorteil, denn: „Staaten, die autoritär durchgreifen, können harte und schwere Entscheidungen ganz anders umsetzen als westliche Regierungen.“

Sie sieht nicht nur kommen, dass die Schwellenländer den Westen überfl ügeln – sie fordert Amerika und Europa auch auf, das scheinbar Unvermeidli-che nicht kampfl os geschehen zu lassen. Die gebürtige Sambierin, die aus der dortigen Elite stammt, für die Weltbank und Goldman Sachs gearbeitet hat und in London lebt, ist der Auff assung, dass man allein mit globaler Zusammenarbeit und Fair Play die Vormachtstellung des Westens nicht erhält. Sie will, dass der Westen eine „deutlich aggressivere Strategie“ einschlägt. Moyo, die vom Weltwirtschaftsforum zu den „Young Global Leaders“ gezählt wird, befürwortet einen staatlich gelenkten Kapitalismus, erteilt der politischen Freiheit und dem Individualismus eine Absage und spricht sich für einen aggressiven protektionistischen Kurs aus.

Sie legt durchaus ihren Finger auf die Wunden – etwa wenn sie die Vereinigten Staaten beschreibt als „am Ende ihrer Ressourcen, ausgelaugt, pleite, verzweifelt und erledigt, weil sie ihre Schulden nicht mehr abzahlen können“. Dem mit Schulden finanzierten Konsum in den westlichen Ländern stellt sie als leuchtendes Beispiel die Schwellenländer gegenüber, die das Sparen betonen und auf produktive Investitionen setzen würden.

Das Buch taugt als Problemanzeige, dass die Überlegenheit der westlichen Wirtschaft auf tönernen Füßen steht. Statt diese Dominanz jedoch überwinden zu wollen, möchte die Autorin sie mit zum Teil sehr fragwürdigen politischen Ideen in eine neue historische Phase hinüberretten. Bei allem Respekt vor den jungen schwarzen, weiblichen Global Leaders: Es bleibt zu hoffen, dass niemand Dambisa Moyos Rettungsphantasien allzu ernst nimmt.


Anja Ruf

 

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