Asit Datta
Armutszeugnis. Warum heute mehr Menschen hungern als vor 20 Jahren
dtv-Verlag, München 2013,
218 Seiten, 14,90 Euro
Die Millennium-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen werden absehbar kaum erreicht. Warum? Der Bildungsforscher Asit Datta liefert Analysen und Hintergründe.
Der Anteil der absolut Armen und Hungernden an der Weltbevölkerung ist prozentual zurückgegangen. Doch die absolute Zahl der Menschen, die nicht genug zu essen haben, ist seit 1990 nahezu gleich geblieben: 842 Millionen beträgt sie laut dem neuesten Bericht der Welternährungsorganisation FAO. Wo liegen die Ursachen und warum passiert zu wenig, um Veränderung herbeizuführen und lange bekannte Handlungsoptionen in die Tat umzusetzen? Diese Frage klingt fast 30 Jahre nach Asit Dattas Buch „Welthandel und Welthunger“ (1984), einem Bestseller der Eine-Welt-Bewegung, bekannt und gleichzeitig bedrückend. Vieles in Dattas neuer Publikation liest sich wie ein Déjà-vu und ein Zeugnis für andauernde Unterlassung auf Seiten derer, die handeln könnten.
In zwölf Kapiteln werden komplexe Zusammenhänge so erläutert, dass sie für eine breite Öffentlichkeit in ihrer Tragweite verständlich werden. Diskutiert werden unter anderem Welthandel und ökonomische Globalisierung, das Verständnis von Entwicklung, Probleme eines tragfähigen Armutsbegriffs, Grenzen und Chancen von Statistiken, Schwierigkeiten einer nachvollziehbaren Beschreibung von Hunger sowie die weltweite Bevölkerungsentwicklung.
Eine aktive Zivilgesellschaft ist nötig
Die Grenzen des Wachstums, die der Club of Rome bereits 1972 beschrieben hatte, sind lange überschritten. Asit Datta erinnert daran, dass die Menschheit nur gemeinsam überleben kann und die Macht neu verteilt werden muss. Angesichts des absehbaren Scheiterns der Millennium-Entwicklungsziele geht es um die Leitthemen Hunger gegenüber Überfluss, das Wachsen der Kluft zwischen Arm und Reich gegenüber egalitären Nationalgesellschaften sowie einem Wirtschaftssystem, das Umwelt und soziale Beziehungen zerstört, gegenüber einem bewahrenden, innovativen Modell.
Als Quintessenz lässt sich festhalten: Internationale Konferenzen können Bekanntes beschreiben, kommen jedoch über den Status von Papiertigern selten hinaus und lassen konkrete Handlungsoptionen vermissen. Es gibt global Alternativen zum herrschenden Ökonomiemodell. Eine Reform der internationalen Institutionen ist dringend erforderlich, um Demokratisierung und Transparenz zu ermöglichen. Es gibt auch Beispiele aus Staaten wie Brasilien, wie eine menschliche Entwicklung gefördert werden kann, die sich um das Wohl aller, Beteiligung und Gerechtigkeit bemüht. Eine aktive Zivilgesellschaft ist möglich und notwendig, um Bewusstsein für Alternativen und Veränderung zu schaffen.
Wer sich gern an „Welthandel und Welthunger“ erinnert, kann sich auf ein Buch freuen, das die Themen von damals aus heutiger Perspektive weiterdenkt. Wer aktuell in das große Thema „Armut – Hunger – Entwicklung“ einsteigen will, stößt auf eine Fundgrube von Hintergründen und Argumentationslinien für eine aktive globale Zivilgesellschaft und eine interessierte Öffentlichkeit. (Gregor Lang-Wojtasik)
Erschienen in welt-sichten 11-2013
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