Afrikas scheinheilige Terroristen

Marc Engelhardt
Heiliger Krieg – heiliger Profit
Afrika als neues Schlachtfeld des
internationalen Terrorismus
Christoph Links Verlag, Berlin 2014
224 Seiten, 16,90 Euro

Der langjährige Afrika-Korrespondent Marc Engelhardt analysiert die Motive von Terrorgruppen: Die Gier nach Geld spielt eine weitaus größere Rolle als die ideologische Gesinnung.

Der Anschlag auf das moderne Westgate-Einkaufszentrum in Nairobi im September 2013 trifft ins Herz der westlich orientierten Mittelschicht Kenias. 60 Menschen sterben, mehr als 200 werden verletzt. Doch hinter dem Anschlag der islamistischen Terror-Miliz Al-Shabab steckten keine ideologischen Beweggründe, erklärt Engelhardt.

Die Miliz wolle in erster Linie den Rückzug der kenianischen Truppen aus Somalia erzwingen. Besonders wütend sind die Terroristen über die Besetzung der Hafenstadt Kismayo. Von dort betrieben sie jahrelang den lukrativen Schmuggel von Holzkohle und Zucker, ein Geschäft, mit dem die Al-Shabab zusammen mit Elfenbeinhandel und Schutzgelderpressung bis zu 100 Millionen US-Dollar im Jahr umsetzte.

Für den langjährigen Afrika-Korrespondenten ist die Al-Shabab nicht die einzige Terrorgruppe, der es vor allem ums Geschäft geht. Auch in anderen Krisenregionen Afrikas gelte: Die wenigsten Terroristen seien ideologisch verblendete Gotteskrieger. Vielmehr handele es sich meist um einfache Ganoven, Schmuggler oder Lösegeldentführer, die unter dem Deckmantel des Terrors ein profanes, wenn auch oft blutiges Geschäft betreiben.

Das trifft nach Engelhardts Überzeugung auch auf die „Gangster-Dschihadis“ der Al-Qaida im islamischen Maghreb (AQIM) zu. Das Label „Al-Qaida“ steigere vor allem deren Marktwert und helfe, bei Entführungen höhere Lösegelder zu erpressen. Gruppen wie die AQIM und die malische Ansar Dine nutzten den rechtsfreien Raum in den Wüstengebieten auch für andere illegale Geschäfte wie Kokainschmuggel oder Menschenhandel. Die Anhänger der einzelnen Gruppen sind laut Engelhardt meist kriminelle Söldner, die denen folgen, die am besten bezahlen.

Militärisch ist dem Problem nicht beizukommen

Engelhardts Argumentation ist nachvollziehbar und anschaulich. Er lässt nicht nur Experten zu Wort kommen, sondern weiß vieles aus erster Hand zu berichten. Schließlich war er selbst in Krisenregionen wie Zentralafrikanische Republik, Nigeria und Mali unterwegs. Sein Buch handelt nicht nur von den verschiedenen Terrorgruppen – von Joseph Konys Terrorbande in Uganda bis hin zu den Islamisten, die mit dem algerischen Geheimdienst verbandelt sind –, sondern auch von den aktuellen Brandherden Afrikas.

Nicht immer lösen Terroristen die Konflikte aus. Aber immer profitieren sie, wenn öffentliche Strukturen zusammenbrechen, der Staat keine Macht mehr hat, Gesetzeshüter abtauchen und den Schutz der Bevölkerung aufgeben. Hier fällt es ihnen leicht Angst und Schrecken zu verbreiten und damit das ohnehin angekratzte Vertrauen in den Staat weiter zu zerstören – um dann selbst als Garant für Ordnung und Sicherheit auf den Plan zu treten.

Engelhardts Analyse des Terrorismus als organisiertes Verbrechen nimmt dem Phänomen nicht seinen Schrecken, macht es aber begreifbarer. Und es zeigt: Militärisch ist dem Problem nicht beizukommen, auch nicht mit dem Einsatz von Drohnen. Ganz im Gegenteil schüren Vergeltungsaktionen, wie die Repressionen der kenianischen Polizei gegenüber Muslimen nach dem Westgate-Anschlag, weiter den Hass, vergrößern die Kluft zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen – und spielen den Islamisten in die Hände.

Stattdessen muss es Engelhardt zufolge darum gehen, den Nährboden des Terrors auszulaugen: Korruption und Vetternwirtschaft müssen eingedämmt, staatliche Strukturen aufgebaut und neue wirtschaftliche Perspektiven geschaffen werden. Strengere Kontrollen bei internationalen Geldströmen könnten dazu beitragen, die Terrorgruppen finanziell auszutrocknen. Wenden sich die Profiteure des Terrors dann anderen Einnahmequellen zu, stehen die wenigen wirklichen Gotteskrieger am Ende ziemlich alleine da.

Sebastian Drescher

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