Ein Schmöker für den Dialog

Richard Heinzmann, Peter Antes,
Martin Thurner und Mualla Selcuk (Hg.)
Lexikon des Dialogs – Grundbegriffe aus Christentum und Islam
Im Auftrag der Eugen-Biser-Stiftung
Herder-Verlag, Freiburg 2013, 2 Bände,

zusammen 856 Seiten, 38 Euro

Dieses Lexikon bereichert den Büchermarkt: Es sei allen, die sich für den christlich-muslimischen Dialog interessieren, wärmstens empfohlen.

Wenn zwei dasselbe Wort verwenden, müssen sie nicht unbedingt dasselbe meinen. Diese Erfahrung machten vor einigen Jahren Wissenschaftler aus der Türkei und Deutschland, die sich über den Islam und das Christentum austauschen wollten. Die Muslime sprachen türkisch, die Christen deutsch – und die Übersetzer kamen ins Schwitzen. Ein Wörterbuch für die Grundbegriffe der jeweiligen Religion gab es nämlich nicht. Diese Lücke ist jetzt geschlossen.

Das „Lexikon des Dialogs“ ist eine theologische Pionierarbeit. Erstmals stehen die christliche und die muslimische Sicht zu Grundbegriffen des jeweiligen Glaubens nebeneinander, wobei nicht jedes Stichwort auch von beiden Seiten erklärt wird. Welche Begriffe in den Kanon aufgenommen wurden, hatte jede Seite für sich entschieden. Der Himmel etwa wird nur aus christlicher Sicht erklärt, nicht aus muslimischer. Wer sich trotzdem über Jenseitsvorstellungen im Islam schlau machen möchte, sollte bei Paradies nachschlagen oder eben bei Hölle. Für beide Orte finden sich auch christliche Artikel, so dass der Leser gut vergleichen kann.

Sieben Jahre lang haben 24 christliche Theologen aus Deutschland und 54 muslimische Theologen aus der Türkei an dem Lexikon gearbeitet, das auch auf Türkisch vorliegt. An der englischen Übersetzung wird derzeit gearbeitet. Und über eine arabische Ausgabe wird nachgedacht. Zu empfehlen ist das Lexikon nicht nur für die zielgerichtete Suche nach dia­log­relevanten Themen wie Absolutheitsanspruch, Frauenbild, Fundamentalismus oder Konversion. Das Lexikon kann auch als wunderbarer Schmöker genutzt werden.

Wer sich zwischen den mehr als 800 Seiten treiben lässt und nach Lust und Laune von Stichwort zu Stichwort springt, kann die feinen Unterschiede zwischen muslimischen und christlichen Engeln kennenlernen, in die jeweilige Welt der Wunder einsteigen oder die Gemeinsamkeiten beim Fasten ausmachen.

Auf der theologischen Ebene haben Christentum und Islam oft mehr gemeinsam als allgemein bekannt. Viele Unterschiede, die das Zusammenleben manchmal schwer machen, liegen im kulturellen Bereich. So ist unter den Stichworten Kopftuch oder Hijab beispielsweise nur ein Verweis auf „Kleiderordnung“ zu finden. Und auch dort geht nur der christliche Vertreter auf die Verschleierung der Frau während des Gottesdienstes ein.

Der islamische Theologe hingegen erwähnt das Kopftuch gar nicht. Das bringt den Leser ins Grübeln und führt zu der Vermutung, dass das Thema im Gegensatz zur deutschen Debatte um das Kopftuch für die islamische Theologie überhaupt keines ist. 

Dem Lexikon ist eine breite Leserschaft zu wünschen. Die kurzen und verständlich geschriebenen Artikel sind nicht nur für Theologen und Religionswissenschaftler gewinnbringend. Jeder, der privat oder beruflich mit Menschen aus der jeweils anderen Religion zu tun hat, kann darin auf unaufgeregte Weise etwas lernen – auch über die eigene Religion.

Katja Dorothea Buck

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