Die Macht der Inszenierung

Carola Lentz und Godwin Kornes (Hg.)
Staatsinszenierung, Erinnerungsmarathon und Volksfest. Afrika feiert 50 Jahre Unabhängigkeit
Brandes & Apsel, Frankfurt 2011,
252 Seiten, 24,90 Euro


Der Sammelband vermittelt einen interessanten Einblick in die politische Entwicklung von elf afrikanischen Staaten – ausgehend von ihren Feiern zu 50 Jahre Unabhängigkeit.

1960 wird oft als das „afrikanische Jahr“ bezeichnet, denn im Zuge der Dekolonisation erlangten damals 17 Staaten ihre politische Unabhängigkeit. 50 Jahre danach – 2010 – nutzten sie das Jubiläum, um diese zu feiern. Das von Carola Lentz und Godwin Kornes von der Universität Mainz herausgegebene Buch thematisiert diese Feiern anhand von elf Fallstudien. Es ist aus universitären Projekten hervorgegangen, einer Lehrforschung mit Studierenden der Ethnologie und einer Doktorandengruppe zu „Erinnerungspolitik und Nationalfeiern in Afrika“.

Alle Autoren und Autorinnen haben Nationalfeiern und ihre Vorbereitung in den jeweiligen Ländern erlebt und lassen ihre Eindrücke in ihre Darstellung einfließen. Entstanden ist ein gut lesbarer Band, dessen einzelne Beiträge die Besonderheit der Feiern in verschiedenen afrikanischen Ländern herausarbeiten und zugleich in deren politische Entwicklung einführen. Behandelt werden neun Länder, die 1960 unabhängig wurden, sowie Ghana (1957) und Namibia (1990).

In ihrem Einführungstext erörtert die Projektleiterin Carola Lentz die Bedeutung von Unabhängigkeitsjubiläen. Wenig überraschend konstatiert sie, dass die „Geburtsstunde“ der Nation in jedem Land ein zentraler Bezugspunkt ist, ein „robuster Erinnerungsort“.Die Bedeutung der Feiern sei aber zugleich „flexibel“ und „offen für Kontroversen“.Von der jeweiligen Regierung organisiert, sind sie Instrumente zur Legitimierung der Staatsmacht und der von ihnen definierten nationalen Prioritäten. Die einzelnen Beiträge liefern hierzu die Belege.

In der Elfenbeinküste zum Beispiel rückte 2010 der amtierende Staatschef Gbagbo seine eigene Bedeutung in den Vordergrund, während die des Gründungsvaters der Nation, Houphouet-Boigny, in den Hintergrund treten musste. Heute steht Gbagbo in Den Haag vor dem Internationalen Strafgerichtshof. In Ghana war 2007 die Bewertung der historischen Rolle des Panafrikanisten und Sozialisten Nkrumah umstritten. In der liberalen Tradition stehend, suchte der amtierende Präsident Kufuor dennoch, Nkrumah in seine Machtprojektion einzubeziehen. Inzwischen hat eine neue Regierung die Stellung Nkrumahs in der offi ziellen Erinnerung wieder aufgewertet. In Burkina Faso hatte der amtierende Staatschef Compaoré die Chuzpe, von der„Pflicht zu erinnern“ zu sprechen – als Teil seiner Selbstinszenierung und der Ablenkung von seiner Verantwortung für die Ermordung seines Vorgängers Thomas Sankara. Insgesamt bieten die Beiträge viele aufschlussreiche Details, wie die Länder Afrikas mit ihrer politischen Entwicklung seit der Unabhängigkeit umgehen. Sie zeigen auch, wie unterhalb der offiziellen Ebene Alternativen zum herrschenden Diskurs wach gehalten werden und Feiertage etwa in Madagaskar vor allem als Volksfest begangen werden. Ein bebilderter Essay am Ende des Bandes dokumentiert die staatlichen Feiern. Gut recherchiert und anschaulich geschrieben – der Band gibt einen interessanten Einblick in die Politik Afrikas.


Peter Meyns

 

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