Wer sein Heil bei Pfingstkirchen sucht

Seit den 1980er Jahren gewinnen Pfingstkirchen in vielen afrikanischen Ländern an Einfluss. Das betrifft nicht nur das religiöse und soziale Leben, sondern auch die Entwicklungszusammenarbeit.

Dieser Sammelband misst das Spannungsfeld zwischen praktischer Hilfe, individuellem Unternehmertum und Kirchenzugehörigkeit aus. Ein Leitmotiv der neun lokalen Fallstudien ist die Konkurrenz zwischen verschiedenen Kirchen und Gebern. Regionaler Schwerpunkt ist Ostafrika, einzelne Beiträge behandeln auch Westafrika und das südliche Afrika. Die Autoren sind mehrheitlich Kulturanthropologen aus Finnland, Großbritannien und den USA.

Im ersten Teil geht es um Pfingstkirchen und die neo-liberale Wende, das Verhältnis der Kirchen zu Staat und Wirtschaft wird beleuchtet. Der zweite Teil erörtert das Verhältnis zwischen nichtstaatlichen Organisationen (NGO) und Pfingstkirchen. Vergleiche von Projekten und Entwicklungsidealen machen das Buch insbesondere für Mitarbeiter kirchlicher Entwicklungsorganisationen zur lesenswerten Lektüre.

Auch andere Interessierte erhalten Denkanstöße, denn die Fallbeispiele illustrieren und vertiefen einleitende konzeptionelle Überlegungen der Herausgeberin Dena Freeman zu unterschiedlichen Entwicklungsmodellen. Sie ordnet den rasanten Bedeutungsgewinn von Pfingstkirchen wirtschaftspolitisch ein. Konkret unterstreicht sie die Auswirkungen der Strukturanpassungsprogramme von Weltbank und Internationalem Währungsfond ab den 1980er Jahren, die staatliche Dienstleistungen etwa im Gesundheitssektor drastisch beschnitten.

Für viele Menschen stand das Überleben auf dem Spiel. Die Wohlfahrtsprogramme der Amtskirchen konnten die Armutsspirale kaum aufhalten, obwohl immer mehr kirchliche NGOs entstanden. Pfingstkirchen versprachen wirtschaftliches und persönliches Wachstum und ermutigten Verzweifelte, sie seien von Gott auserwählt. Die Fallbeispiele zeigen, wie die Erweckung und Rettung aussah: So wurden in Tansania bei einer jungen verarmten Migrantin mit familiären und psychischen Problemen Unglück bringende Geister ausgetrieben.

Im Hochland von Äthiopien unterstützten Pfingstkirchen erfolgreich junge Männer, die als soziale Außenseiter galten. Etablierte Geschäftsleute schlossen sich an und profitierten ebenfalls. Allerdings kamen sie nicht länger den traditionellen Umverteilungspflichten nach, die gesellschaftlichen Unterschiede verstärkten sich. Im Osten Ugandas suchten Traumatisierte nach Konflikten bei Pfingstkirchen ihr Heil. Ihre Existenzbasis in Form von Rinderherden war zerstört, ihr Verständnis von Männlichkeit ruiniert. Hier belegt das aufschlussreiche Buch exemplarisch: Gerade Kriegsakteure und Kriegsopfer sind Zielgruppen neuer Pfingstkirchen.

Rita Schäfer

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