Entwicklungshilfe für die Westentasche

Hinter dem etwas sperrigen Titel verbirgt sich ein Buch, das auf wenigen Seiten viele Informationen über die Entwicklungshilfe bringt und angenehm zu lesen ist. Friedbert Ottacher und Thomas Vogel reichern die Theorie mit vielen Beispielen aus der Praxis an.

Im Plauderton vermitteln die Autoren Grundwissen über Entwicklungstheorien und lassen 70 Jahre Entwicklungspolitik Revue passieren. Sie erklären jeden der gescheiterten Ansätze, Armut und Hunger aus der Welt zu verbannen, aus den Gegebenheiten und Rahmenbedingungen seiner Zeit. Sie befassen sich mit den Fragen, warum 2500 Milliarden US-Dollar „Entwicklungshilfe“ ihr Ziel nicht erreicht haben und ob Experten überbezahlt sind. Sie diskutieren die Argumente des US-amerikanischen Ökonomen William Easterly, der für einen Paradigmenwechsel in der Entwicklungszusammenarbeit eintritt, und der sambischen Wirtschaftswissenschaftlerin Dambisa Moyo, die kapitalistische Entwicklungsdiktaturen wie Singapur oder China als Vorbilder für Afrika sieht.

Dass viele Überlegungen mit konkreten Beispielen aus dem entwicklungspolitischen Alltag illustriert werden, beweist, dass die Autoren keine Schreibtischtäter sind, sondern ihre Überlegungen mit oft leidvoller Praxis bereichert haben. Thomas Vogel ist Bereichsleiter für Programme und Projekte bei der österreichischen Entwicklungsorganisation Horizont3000, Friedbert Ottacher freier Berater und Trainer. Viele der Fragen, die sie aufwerfen und diskutieren, wurden für Workshops oder im Rahmen von Seminaren erarbeitet, die das Duo seit dem vergangenen Jahr für entwicklungspolitisch Interessierte anbietet.

Den jüngsten Trend, die Einbindung von privatwirtschaftlichen Akteuren in die Entwicklungszusammenarbeit, lehnen Ottacher und Vogel nicht grundsätzlich ab. Sie warnen aber vor der Idealisierung betriebswirtschaftlicher Methoden: „Die unsichtbare Hand des freien Marktes kann sehr gut für Effizienz und Innovation sorgen. Sie hat starke Muskeln aber wenig Gehirn und vor allem kein Gewissen.“ Daher sei es immer notwendig, „dass von staatlicher Seite reguliert, umverteilt und subventioniert wird“.

Die Autoren listen nachweisbare Erfolge der Entwicklungshilfe auf, wie die weltweite Verbesserung des Zugangs zu Trinkwasser, die sinkende Kindersterblichkeit und die Eindämmung von Epidemien. Sie stellen sich aber auch der oft geäußerten Frage, warum korrupte Gesellschaften mit „unserem“ Geld gefördert werden und ob die Mitarbeiter von staatlichen und nichtstaatlichen Entwicklungsorganisationen nicht im Grunde nur ihre Arbeitsplätze erhalten wollen. Ihre Argumente sind nachvollziehbar und von Skeptikern nicht leicht vom Tisch zu wischen. Am Ende ist man überzeugt, dass entwicklungspolitische Praxis und Theorie nicht unkritisch gesehen werden dürfen, die Welt aber noch sehr lange nicht ohne sie auskommen wird.

Das Buch richtet sich in erster Linie an interessierte Laien, die sich schnell einen Überblick über die entwicklungspolitischen Grundlagen verschaffen und wissen wollen, was gerade in der Szene diskutiert wird. Aber auch Fachleute werden Freude daran haben, denn ihnen gibt es Anregungen, wie man eine scheinbar trockene Materie unterhaltsam aufbereiten kann.

Ralf Leonhard

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