Keine politische Korrektheit auf Kosten von Frauen

Mona Eltahawy ist wütend. Das wird auf jeder Seite ihrer Streitschrift deutlich. „Wir arabischen Frauen leben in einer Kultur, die uns grundsätzlich feindlich gegenübersteht“, schreibt sie. Frauen in islamischen Ländern seien Menschen zweiter Klasse – deshalb müsse es eine Revolution geben.

Die Autorin berichtet aus eigener Erfahrung. Sie wurde in Ägypten geboren, wuchs in London auf und zog später mit ihrer Familie nach Saudi-Arabien. Für die damals 15jährige war das ein brutaler Einschnitt: „Es war, als wären wir auf einen anderen Planeten gezogen.“ Doch ausgerechnet in einem Land, in dem Frauen nicht einmal Autofahren dürfen, entdeckte sie feministische Bücher in einer Bibliothek und begann, sich mit Frauenrechten im Islam zu befassen.

Auf dem Buchcover trägt Eltahawy kein Kopftuch. Das war nicht immer so. Neun Jahre lang hatte sie Hidschab getragen, den Kopf und Brust bedeckenden Schleier. Dazu habe sie sich aus freien Stücken entschieden, schreibt sie – um sich selbst zu schützen. Bei ihrer ersten Pilgerreise nach Mekka sei sie sexuell belästigt worden, es sollte nicht das letzte Mal bleiben. Deshalb habe sie den Entschluss gefasst, ihren Körper so gut wie möglich zu verstecken. Abgelegt hat sie das Tuch nach jahrelangem Hadern doch: weil sie sich „reduziert auf ein Stück Stoff“ fühlte.

Es ist aufschlussreich, wie die Autorin von ihrem Weg erzählt. Denn Stimmen von Frauen aus der arabischen Welt fehlen oft in solchen Debatten. Zu der europäischen Diskussion über Kopftuch und Burka vertritt sie einen deutlichen Standpunkt. „Der Westen“ könne nicht länger zusehen, wie Menschen im Namen Allahs misshandelt würden. Sie kritisiert, dass ein Kopftuchverbot meist nur von fremdenfeindlichen Rechten unterstützt werde anstatt von linken Gruppen. Es gebe in vielen Ländern Europas Rassismus gegen Muslime, doch politische Korrektheit dürfe nicht auf Kosten der Frauen gehen.

Mona Eltahawy hat auch mit anderen Frauen aus islamischen Ländern gesprochen. Das macht den größten Teil des Buches aus. Zusätzlich zitiert sie Studien, Fernsehberichte und Bücher. Das ist neben der sehr blumigen und floskellastigen Sprache ein Haken: Sie listet einfach zu viele Beispiele auf und prangert alles auf einmal an: die sexuelle Belästigung auf dem Tahrir-Platz in Ägypten, häusliche Gewalt, Genitalverstümmelung, den überhöhten Stellenwert der Jungfräulichkeit und die ihres Erachtens falsche Auslegung des Koran durch radikale Vertreter des Islam. Sie empört sich zu Recht, aber die vielen zornigen Ausführungen erschlagen die Leserin leider teilweise.

Eine Antwort auf die titelgebende Frage liefert Eltahawy ebenfalls, sie bleibt allerdings ein wenig diffus: „Warum hassen uns die Männer? Sie hassen uns, weil sie uns brauchen, sie fürchten uns, und sie glauben an die strenge Kontrolle, die es braucht, damit wir brave Mädchen sind.“ Frauen in der islamischen Welt müssten sich selbst mit „Wut, Beharrlichkeit und Wagemut“ befreien, damit sie nicht mehr nur auf „Kopftuch und Hymen“ reduziert werden. Es ist wünschenswert, dass ihr Buch dazu beiträgt und es im besten Fall nicht nur von der zu erwartenden weiblichen Zielgruppe, sondern auch von Männern gelesen wird.
 

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