Wer hat, dem wird gegeben

Monika Krause zeigt in ihrer Studie, wohin die Organisation und Präsentation humanitärer Arbeit in Form von Projekten führt: Einzelne Hilfsaktionen werden effizienter, der Sinn des „großen Ganzen“ aber droht zu zerfallen.

Mit ihrer Grundthese hält die Autorin, die an der London School of Economics and Political Science unter anderem Organisationssoziologie lehrt, von Anfang an nicht hinter dem Berg: Da humanitäre Organisationen mit ihren Hilfsprojekten auf dem weltweiten Gebermarkt um Spenden konkurrieren, packen sie vor allem solche Projekte an, die in möglichst kurzer Zeit möglichst vielen Menschen sichtbar helfen. Das führt dazu, dass nur selten die Bedürftigsten unterstützt  werden – das würde zu lange dauern und wäre zu kompliziert.

So zitiert Monika Krause einen als Berater tätigen Wasserbauingenieur mit den Worten: „Wenn es irgendeinen Ort gibt, an dem die Menschen noch nie etwas bekommen haben, den zu erreichen aber schwieriger ist, dann wird man es sehr schwer haben, ein Projekt aufzulegen, da die Geber einem sagen werden: ‚Aber Ihr Wettbewerber macht an einem anderen Ort mit sehr viel weniger Geld so und so viel für so viele Menschen.̒“ Die Soziologin lässt in ihrem Buch etliche Profis der humanitären Hilfe – größtenteils anonym –- zu Wort kommen. Deren Schilderungen beleben die nicht immer leicht verständlichen Ausführungen der Autorin, und sie stellen auch immer wieder konkrete Bezüge zur Arbeit der Hilfsorganisationen vor Ort her.

Dass deren Tun seit den 1990er Jahren in Projektform geplant und organisiert wird, soll die Hilfen planbarer und transparenter, ihren Erfolg messbarer machen, schreibt Monika Krause. Durch die Professionalisierung sei das Projekt aber auch zu einer Grundeinheit der Mittelbeschaffung geworden: Allein sein „Mehrwert“, den es unter eng vorgegebenen Bedingungen in einer abgegrenzten Region schaffe, rechtfertige den Hilfseinsatz. Wie eng die Grenzen dabei sein können, berichtet ein Projektmitarbeiter aus dem Sudan. Als seine Organisation einmal Essen und Medikamente in die Region gebracht habe, habe sich die örtliche Bevölkerung zwar bedankt. Aber die Menschen wiesen darauf hin, dass sie angesichts der bevorstehenden Regenzeit vor allem Angeln und Netze brauchen könnten, um den kommenden Fischreichtum nutzen zu können. „Das wurde vom Programmleiter abgelehnt. Manchmal habe ich komplett idiotische Geschichten wie diese erlebt.“

Neben der Organisation von Hilfen in Projekten widmet sich die Autorin der Entstehungsgeschichte des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) und der humanitären Organisationen, der Reform der humanitären Hilfe im Zuge des Biafra-Krieges und der Gründung von Ärzte ohne Grenzen sowie der gestiegenen Bedeutung der Menschenrechte bei humanitären Einsätzen. Kenntnisreich und immer wieder auf aktuelle Fachdiskussionen hinweisend, erläutert Monika Krause verschiedene Denkschulen zu Aufgaben, Staatsnähe und Unabhängigkeit humanitärer Helfer. Dass die Fußnoten nicht im Anhang sondern am Seitenende stehen, erleichtert all denen das Lesen, die es ganz genau wissen möchten.

Es bleibt ein Unbehagen darüber, dass humanitäre Projekte ebenso dem (Spender-)Markt unterliegen wie kommerzielle Produkte, ja dass Bedürftige weltweit um Hilfen konkurrieren müssen. Ob das falsch ist und wie es verändert werden könnte, lässt die Autorin offen. Sich damit zu beschäftigen, bleibt weiter spannend.

 

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