Hoffnungsträger in Nordafghanistan

Generation Kunduz – Der Krieg der Anderen
Deutschland 2011,
Regie: Martin Gerner, 80 Minuten,
Eigenverleih, Filmstart: 15. März 2012,
www.generation-kunduz.com


In dem Dokumentarfilm „Generation Kunduz – Der Krieg der Anderen“ porträtiert Martin Gerner fünf junge Afghanen mit Ambitionen.In dem Dokumentarfilm „Generation Kunduz – Der Krieg der Anderen“ porträtiert Martin Gerner fünf junge Afghanen mit Ambitionen.

Die nordafghanische Provinz Kunduz ist hierzulande vor allem bekannt, weil dort die Bundeswehr stationiert ist. Wie die Einheimischen in Kunduz leben, zeigt nun ein Dokumentarfi lm mit Bildern jenseits tagesaktueller TV-Berichte. Er gibt den Afghanen selbst eine Stimme. Der Autor und Regisseur Martin Gerner profi tiert von seinen langjährigen Erfahrungen als Reporter deutscher Radiosender und Zeitungen und als Ausbilder afghanischer Nachwuchsjournalisten. Wegen der angespannten Sicherheitslage und vieler Vorbehalte der Einheimischen, vor die Kamera zu treten, drehte er in der Regel mit nur einem afghanischen Kameramann.

Gerner porträtiert in loser Episodenform fünf junge Afghanen, die von ihrem lebendigen, aber keineswegs angstfreien Alltag berichten. Heimlicher„Star“ des Films ist der zehnjährige Mirwais, der als Schuhputzer zum Familieneinkommen beiträgt und erstaunlich altkluge Ansichten über Krieg und Frieden äußert. Einmal sagt er: „Ich wäre gerne Arzt oder Ingenieur oder Lehrer. Hauptsache, ich werde dieses unglückliche Leben los.“ Die 18-jährige Nazanin arbeitet als Reporterin bei einem Frauenradio und versucht, einen eigenen Weg zu fi nden zwischen dem Einsatz für Gleichberechtigung und dem Druck der sozialen Normen: In der Öff entlichkeit zeigt sie sich lieber in der ungeliebten Burka. Der Agrarstudent Hasib engagiert sich für eine Organisation, die die Wahlen 2009 beobachtet, stößt aber als Aktivist der Zivilgesellschaft an seine Grenzen, wenn die Beamten in Wahllokalen auf dem Land ihm den Eintritt verweigern, weil sie seine Organisation nicht kennen. Oder wenn die Fahrt in abgelegene Dörfer einfach zu gefährlich ist. Für humoristische Akzente sorgen der stets farbenfroh gekleidete Ghulam und Khatera, die als Mitglieder eine Theatergruppe gegen alle Widerstände und moralischen Bedenken von Verwandten mit kargen Mitteln einen Liebesfilm drehen. Mit den erbettelten Patronen für eine Kampfszene muss Ghulam aber sparsam umgehen, anders als die Taliban-Rebellen oder die vielen ausländischen Soldaten, die in gepanzerten Fahrzeugen durch die Stadt rasen.

Gerner macht deutlich, dass sich viele Zivilisten als hilfl ose Puff er zwischen den NATO-Truppen und extremistischen Aufständischen fühlen – für sie ist das der Krieg der Anderen, wie der Untertitel des Films signalisiert. Die unsichere Gesamtlage hemmt– neben der grassierenden Korruption – auch die Entwicklung des zarten Pfl änzchens Demokratie. So sagt der vom massenhaft en Wahlbetrug frustrierte Hasib mit geradezu neidischem Blick auf die Freiheit zum Demonstrieren im benachbarten Iran: „Wer in Afghanistan etwas bewegen will, wird noch am gleichen Tag erschossen. Ein Leben zählt hier nichts. Deshalb verhalten wir uns ruhig.“ Auch wenn vom arabischen Frühling hier noch kaum etwas zu spüren ist, dominiert am Ende der Eindruck: Trotz aller Widrigkeiten lassen sich die fünf nicht entmutigen.


Reinhard Kleber

 

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