Der Frühling ist vorbei

Der Politiker Franz Maget dokumentiert in dem von ihm herausgegebenen Band, dass sich zehn Jahre nach dem „Arabischen Frühling“ nichts an den Ursachen der großen Protestbewegungen geändert hat. 

Franz Maget: Zehn Jahre Arabischer Frühling – und jetzt? Volk Verlag, München 2020, 192 Seiten, 15,90 Euro 

Nach der anfänglichen Euphorie von 2011 hat in Europa das Interesse am „Arabischen Frühling“ deutlich nachgelassen. Der Bürgerkrieg in Syrien, der Aufstieg des Islamischen Staates, die Flüchtlingskrise und Terrorattacken in Europa haben zu Ernüchterung geführt.

Franz Maget, früher SPD-Vorsitzender in Bayern und von 2016 bis 2018 Sozialreferent Deutscher Botschaften in Kairo und Tunis, hat zusammen mit Nahost-Korrespondenten wie Martin Gehlen, Sofian Philip Naceur, aber auch Wissenschaftlern wie der Deutsch-Ägypterin Hoda Salah und Said AlDailami einen Band herausgegeben, der die wichtigsten Entwicklungen in der Region seit 2011 beschreibt. Die Beiträge bieten einen umfassenden Überblick über die wichtigsten Länder des Arabischen Frühlings: Tunesien, Ägypten, Syrien, Marokko, Jemen und Algerien. Der Sudan fehlt leider. Das ist schade, weil dort, an der Peripherie der arabischen Welt, noch mehr Hoffnung auf Demokratisierung besteht als in den Kernländern. 

Die Länderabschnitte ergänzen Themenkapitel zu Religion, Frauen, Entwicklungszusammenarbeit und Ursachen der Arabellion sowie ein Ausblick auf die Zukunft. Sie sind fachlich von durchaus unterschiedlicher Qualität, aber alle skizzieren die wichtigsten Probleme und sind für interessierte Laien verständlich. Einen hervorragenden Überblick bietet etwa Martin Gehlens Beitrag über Syrien: Er fasst die komplexen regionalen und internationalen Entwicklungen des bis heute andauernden Krieges übersichtlich zusammen und arbeitet dabei klar die Verantwortung des Assad-Regimes heraus. Im Ägypten-Kapitel dagegen kommt die zentrale Rolle des Militärs, das seit Beginn des Umbruchs im Hintergrund die Strippen gezogen hat, nicht angemessen zum Ausdruck. Hier hätte man sich auch einen deutlicheren Hinweis auf die ungute Rolle des Westens und speziell Deutschlands gewünscht, das bis heute zu den engsten Verbündeten des Militärmachthabers al-Sisi gehört.

Insgesamt bietet das Buch eine gute Einführung in eine Region, die in einem Umbruch steckt, der noch lange nicht abgeschlossen ist. Der Ausblick in die Zukunft ist nicht besonders hoffnungsvoll: Klimawandel und Corona-Pandemie verstärken die politische, wirtschaftliche und soziale Misere. Aber anders als die Generation ihrer Eltern ist die junge Generation nicht mehr bereit, die Situation klaglos hinzunehmen. Weitere Krisen und Aufstände sind zu erwarten, so das Fazit des Buches.

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