Frauenpower in Uganda

Jennifer Nansubuga Makumbi: Die erste Frau. Interkontinental Verlag, Berlin 2022, 532 Seiten, 26 Euro

Die ugandische Autorin Jennifer Nansubuga Makumbi erzählt in ihrem Roman vom Erwachsenwerden im nachkolonialen Uganda. Ihre mitreißenden Frauenfiguren widersetzen sich auf individuelle Weise den Einschränkungen der Gesellschaft.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht die Protagonistin Kirabo, ein Teenager. Sie wird auf ihrem Lebensweg von tatkräftigen und eigenwilligen Tanten, einer kontrollierend-fürsorglichen Großmutter sowie deren bester Freundin Nsuuta begleitet. Diese ist als Dorfhexe verschrien, wird aber dennoch zur engsten Bezugsperson des jungen Mädchens. Kirabos leibliche Mutter dagegen taucht erst ganz am Ende des Buches auf. Auch ihr Vater, Großvater und erster Freund treten nur gelegentlich in Erscheinung – und genießen dabei alle Vorteile der männlich dominierten Gesellschaft.

Darin ziehen die Frauen alle Register, um sich über Wasser zu halten, und teilen dabei zum Teil auch kräftig gegeneinander aus. Genau das prangert die Autorin mittels einfühlsamer Dialoge zwischen Kirabo und Nsuuta über ein solidarisches Miteinander und die gemeinsame Stärke der Unterdrückten an. Bezugspunkte sind symbolreiche Mythen des Volks der Baganda über die Macht von Frauen und ihre Zuordnung zum Wasser. Diese Mythen, die von alten Frauen auf den Dörfern erzählt werden, sind für junge Zuhörerinnen oft schwer zu entschlüsseln. Makumbi hat sie in ihrem Roman literarisch aufbereitet und präsentiert sie als Gegenmodell zur pauschalen Gegenüberstellung von Feminismus und Patriarchat – ein Denkanstoß für die Leserschaft in Uganda und weit darüber hinaus. Somit gilt es, die oftmals versteckte Frauenmacht zu entdecken.

Die in Uganda geborene und aufgewachsene Schriftstellerin kennt den Alltag der ländlichen und urbanen Mittelschicht, über die sie schreibt, aus eigener Erfahrung. Ihr Vater war Banker, und sie verbrachte viel Zeit bei ihren Großeltern auf dem Land. Autobiografisch ist ihr Roman aber nicht, zumal Makumbis Vater in den 1970er Jahren von den Schergen des Idi-Amin-Regimes so schwer misshandelt wurde, dass er nicht mehr für seine Familie sorgen konnte. Diktatur, Gewaltherrschaft und Krieg – konkret das Verschwindenlassen und die Ermordung von Männern – werden im Roman benannt, aber nicht vertieft.

Aus der Sicht des Mädchens erzählt, von Frauenstimmen durchzogen

Er erzählt die Geschichte aus der Sicht des Mädchens, dem die machtpolitischen Hintergründe des Geschehens wie etwa die unter Amin verstärkten, bis in die Familien hineinreichenden ethnischen und religiösen Konflikte noch verschlossen sind. Auch das Erbe des ostafrikanischen Sklavenhandels ist Teil der Erzählung, denn zu Kirabos Vorfahren zählten sowohl Opfer als auch Profiteure davon. Das wird zumindest angedeutet.

Eine Vielfalt an Frauenstimmen durchzieht das Buch. Etliche Begriffe der Luganda-Sprache regen an, sie im Kontext der facettenreichen Geschichte zu entschlüsseln, sich also mit Unbekanntem auseinanderzusetzen und Verständnis für die Entscheidungen der Frauen zu entwickeln. Das in der anglofonen Welt mehrfach ausgezeichnete Buch liegt jetzt dank des neuen Verlags Interkontinental in deutscher Fassung vor.

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