30 Jahre nach dem Amtsantritt Nelson Mandelas als Präsident Südafrikas zieht dieses Buch eine Bilanz der politischen Veränderungen, blendet dabei allerdings heikle Fragen weitgehend aus.
Der Herausgeber Busani Ngcaweni hat in Südafrika etliche Jahre verschiedene Präsidenten beraten, danach war er als Politik- und Verwaltungswissenschaftler tätig. Mit seinem Buch knüpft er an seinen vor zehn Jahren erschienenen Essayband zur Demokratie in Südafrika nach der politischen Wende an. Den damaligen Titel „Liberation Diaries“ behält er bei, denn auch der aktuelle Sammelband widmet sich dem Befreiungsverständnis der aus einer Antiapartheidorganisation hervorgegangenen ANC-Regierung.
Die insgesamt 26 Beiträge fokussieren vor allem auf die politischen Erfolge der jungen Demokratie und betonen die Abkehr von der weißen Minderheitsregierung, die über Jahrzehnte die schwarze Bevölkerungsmehrheit unterdrückt und entrechtet hatte. Zu den Erfolgen zählen die neue Verfassung, umfassende Gesetzesnovellen, neue politische Gremien, etwa in der Menschenrechtsarbeit, Richtlinien und Pläne, weitreichende Sozialprogramme sowie Wirtschafts- und Bildungsreformen. Diese beschreiben sie anhand von Beispielen aus der nationalen Entwicklungsplanung und daran, dass in Universitäten, Behörden und Medien inzwischen eine schwarze gebildete Mittel- und Oberschicht den Ton angibt.
Regierungsfreundliche Einschätzungen
Die Mehrzahl der Autorinnen und Autoren ist in der Politikberatung, in staatlichen Kommissionen oder regierungsnahen Forschungsinstituten tätig, manche haben auch zeitweise für Ministerien oder in internationalen Unternehmen gearbeitet. Das prägt ebenso wie ihre Karrierestationen in Westeuropa, in den USA, den Golfstaaten oder in China ihre durchweg regierungsfreundlichen Einschätzungen. Weitgehend fehlen Bezüge zum afrikanischen Kontinent. Nur ein Text widmet sich Südafrikas Außenpolitik gegenüber afrikanischen Ländern und der Afrikanischen Union, er konzentriert sich auf den Anspruch der ANC-Regierung als Friedensmacht.
Das innenpolitisch brisante Thema Flucht vor Krieg und Gewalt und illegale Einwanderung von Millionen Menschen aus repressiven Regimen wie dem Nachbarland Simbabwe kommt kaum zur Sprache – trotz der steigenden Xenophobie in Südafrikas beengten Wohnvierteln für die schwarze Bevölkerungsmehrheit und obwohl einige Oppositionsparteien mit xenophober Hetze Wahlkämpfe bestreiten. Das Buch erläutert nicht, ob derlei Spannungen eine Zerreißprobe für die Demokratie werden könnten. Stattdessen veranschaulichen einige Autoren ausführlich ihre eigenen erfolgreichen Karrierewege aus Benachteiligung und Armut bis in Führungsetagen von Institutionen und Regierungsabteilungen.
Das Buch bietet vielfältige Binnenperspektiven auf diejenigen, die in Südafrika Regierungspolitik gestalten. Begründete Regierungskritik aus der Zivilgesellschaft an strukturellen Problemen wie schwerer Korruption und Kriminalität bleibt dagegen weitgehend ausgeblendet.
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