Frustrierter Rückzug ins Private

Die Kirchen sind in der Demokratischen Republik Kongo eine wichtige politische Stimme. Doch trotz ihres Engagements sind Korruption und Gewalt nicht zurückgegangen. Manche Kirchen konzentrieren sich deshalb verstärkt auf die Familie und die individuelle Ethik.

Politische Statements der Kirchen sind im Kongo keine Seltenheit. Erst Anfang Februar haben Religionsführer in einer gemeinsamen Erklärung das neue Wahlgesetz kritisiert. Protestanten, Katholiken, Orthodoxe und Muslime bemängeln, dass das Gesetz zur Neustrukturierung der Wahlkommission keine ausreichenden Garantien für deren Unabhängigkeit biete. Die Besetzung mit Vertretern politischer Parteien stärke weder den nationalen Zusammenhalt, noch erhöhe sie die Glaubwürdigkeit des Wahlprozesses. Vielmehr würden die Ursachen der politischen Konflikte zementiert.

Autorin

Katja Dorothea Buck

ist Religionswissen- schaftlerin und Journalistin in Tübingen.

Das neue Wahlgesetz entstand vor dem Hintergrund der Wahlen Ende 2011. Deren Ergebnis war aufgrund von Unregelmäßigkeiten in Frage gestellt worden. Das Parlament hat den neuen Gesetzestext bereits verabschiedet. Die Religionsgemeinschaften appellieren an Präsident Joseph Kabila, das Gesetz nicht zu unterzeichnen, sondern an das Parlament zurückzuverweisen. Sie fordern eine mit unabhängigen Personen besetzte Wahlkommission.
Im Kongo sind etwa 90 Prozent der Bevölkerung Christen. Insbesondere die beiden großen Kirchen wie die Katholische Kirche im Kongo und der protestantische Kirchenbund Eglise du Christ au Congo (ECC) engagieren sich politisch, etwa indem sie führende Vertreter in politische Gremien schicken oder politische Prozesse kritisch begleiten. So hat die katholische Kirche vor den Parlaments- und Präsidentenwahlen im November 2011 mehr als 30.000 ehrenamtliche Wahlbeobachter ausgebildet.

„Das Wort der Kirchen hat im Kongo großes Gewicht“, sagt Ilona Auer-Frege vom Ökumenischen Netz Zentralafrika. Die Kirchen seien in dem von Korruption und Misswirtschaft geprägten Land die einzige Organisation der Zivilgesellschaft, die funktioniert. Sie trügen fast den gesamten Bildungs- und Gesundheitssektor.

Kirchenvertreter zweifeln am Sinn ihres Engagements

Manche Vertreter der Kirchen sehen allerdings keinen großen Sinn mehr im politischen Engagement. Zu wenig hat sich bisher verbessert. Das gilt vor allem für den Ostkongo, dessen Bevölkerung seit Jahren unter den gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Rebellen- und Regierungstruppen leidet. „Dort herrscht das Gefühl der Hilflosigkeit. Die Menschen haben den Eindruck, dass die Welt sie vergessen hat und sie ein Spielball von Mächten sind, die sie nicht kennen“, sagt Claudia Währisch-Oblau, Leiterin der Abteilung Evangelisation bei der Vereinten Evangelischen Mission (VEM) in Wuppertal.

Währisch-Ohlau hat vor kurzem die VEM-Mitgliedskirche in Ostkongo besucht. Die Zentralafrikanische Baptisten-Gemeinschaft (CBCA) gehört zu den größeren Kirchen in Nord- und Süd-Kivu. Ihr Präsident Kakule Molo, der bis 2011 Parlamentsabgeordneter war, hat sich frustriert aus der Politik zurückgezogen. „Angesichts der katastrophalen Zustände im Ostkongo stellt sich die Kirche die Frage, was sie dem Chaos und der Gewalt vor Ort entgegensetzen kann“, sagt Währisch-Oblau. Neben der diakonischen Arbeit für Flüchtlinge und für die Opfer der Gewalt sei insgesamt ein Rückzug auf kleinste Strukturen wie Familie und Kirchengemeinden zu erkennen. Das Vertrauen in die Regierung und die Vereinten Nationen sei zerstört.

Hinzu komme die große Armut. „Viele meinen, dass sie nur mit vorgehaltener Waffe an Güter herankommen“, sagt Währisch-Oblau. In Predigten und Gottesdiensten gehe es deshalb vor allem um das richtige Verhalten des einzelnen. „Die CBCA sieht die Not auf einer geistlichen, psychologischen und ethischen Ebene.“ Zu einem ähnlichen Schluss kommt Ka Mana, Präsident des Pole-Instituts, einer 1997 gegründeten Forschungseinrichtung für die Region der Großen Seen. Die Probleme des Kongo könnten nicht militärisch gelöst werden, schreibt er zu den schwierigen Friedensverhandlungen zwischen der Regierung und der Rebellengruppe M23. Die Lösung liege im ethischen Handeln der Führungskräfte und bei der Bevölkerung, die verantwortlich für das Zusammenleben ist. 

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erschienen in Ausgabe 4 / 2013: Wasser
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