„Ich dachte: Okay, das war’s!“

Der Dichter Chirikure Chirikure kritisiert die Regierung von Robert Mugabe in Simbabwe. Deshalb wurden bereits Pistolen auf ihn gerichtet und seine Familie drangsaliert. Er erzählt, warum er keine Schikanen mehr fürchtet und trotzdem zurzeit in Deutschland lebt.

Ich muss das einfach fragen: Chirikure Chirikure – ist das eigentlich ein Künstlername?
Nein, das ist mein echter Name. Ich kann Ihnen gern meinen Ausweis zeigen.

Danke, nicht nötig. Ich finde es nur ungewöhnlich, dass Vorname und Nachname gleich sind.
Klar. In Simbabwe kommt das vor, aber auch nicht oft. Mein Großvater hat seinen Vornamen zum Familiennamen gemacht. Mein Vater hat mich wiederum nach meinem Großvater benannt.

Bedeutet Ihr Name etwas?
Ja, die meisten Shona-Namen haben eine Bedeutung. Chirikure ist ein Zusammenschluss: „Chiri“ bedeutet „es ist“ und „kure“ bedeutet „weit entfernt“. Zusammen bedeutet es: Was weit entfernt ist, liegt in der Ferne.

Das ist ja ein kleines Gedicht. Sie sind Dichter, Autor, Songwriter, Journalist, Literaturagent, Kulturmanager. Habe ich noch etwas vergessen?
Ich habe auch viele Jahre als Herausgeber gearbeitet.

Wie fing das an?
Ich habe die Shona-Sprache, Religionswissenschaften und Philosophie studiert. Seit ich an der Universität war, habe ich das Gedichteschreiben ernsthafter betrieben. Politik beschäftigt mich seit langem. Die gesellschaftlichen Umschwünge seit der Unabhängigkeit, neue Freiheiten, die Zunahme der Korruption. Ich begann, politisch kritische Gedichte vorzutragen. Ich habe schon immer mit Metaphern gearbeitet, um einer Verhaftung zu entgehen. Die Leute sind ja schlau genug, um zu verstehen, was ich meine.

Warum leben Sie zurzeit in Deutschland?
Ich war bis 2011 in Simbabwe, dann habe ich hier ein DAAD-Stipendium bekommen. Ich lebe nun mit meiner Frau und zwei Kindern in Paderborn. Unser Sohn ist in Südafrika und sucht einen Job – dort oder in Simbabwe. Er hat in Südafrika studiert, weil die Universitäten in Simbabwe in den vergangenen Jahren unbrauchbar waren.

Müssen Sie Angst haben, in Ihre Heimat Simbabwe zurückzukehren? 
Ach, ich muss keine Angst mehr haben. Ich habe all die chaotischen, schwierigen Jahre mitgemacht. Meine Familie und ich wurden oft unter Druck gesetzt. Wir wurden belästigt, auch die Kinder und meine Eltern. Das Mugabe-Regime weiß alles über mich und meine Familie. Einmal sprach mich ein ehemaliger Agent an. Er sagte, er wolle sein Gewissen erleichtern, und berichtete mir, wie er uns ausspioniert hatte.

Wie gehen Sie damit um?
Ich muss es hinnehmen. Ich schreibe, beziehe Position, arbeite mit Organisationen zusammen, um das Bewusstsein für die Lage in unserem Land zu schärfen. Das ist der Preis, den man dafür zahlt. Nach einem Konzert haben mich Männer auf der Toilette gestellt. Sie meinten, ich solle endlich den Mund halten, den Präsidenten respektieren. Dann haben sie Pistolen hervorgeholt. Ich dachte: Okay, das war’s. Nun sterbe ich. Ich habe gesagt: Tut mit mir, was ihr wollt. Aber ihr wisst, dass ich die Wahrheit sage und dass ich es für das Wohl unseres Landes tue. Darauf sagten sie: Wir sind geduldige Leute, unsere Kollegen würden dich jetzt töten. Dann gingen sie.

Wie in einem Thriller.
Ja. Oder einfach die Autos mit irgendwelchen Typen darin, die vor unserem Haus rumlungerten. Wenn ich einreisen oder ausreisen will, weiß ich nie, ob ich aufgehalten werde. Das alles verursacht solch einen großen Druck. Deshalb ist es gut, ab und zu im Ausland zu sein, auch zur Erholung.

Dennoch wollen Sie wieder zurück nach Simbabwe.
Ja, ich käme mir sonst vor, als liefe ich davon. Ich denke auch an meine Eltern. Mein Stipendium ist ein Privileg, das ich nutzen muss: für neue Kontakte und Erfahrungen, die ich dann einsetzen kann in Simbabwe. Viele junge Leute in Simbabwe kennen meine kritische Haltung. Die schauen vielleicht zu mir auf, die kann ich nicht allein lassen. Ich will auch der Regierung nicht den Triumph gönnen. Die würden ja sagen: Ach, seht ihr, das ist ein Feigling, der flieht zu seinen Einflüsterern aus dem Norden, die ihn bezahlen. Da sitzt er rum und schlägt sich den Magen voll.

Was arbeiten Sie zurzeit?
Ich organisiere von hier aus Dinge in Simbabwe, derzeit vor allem das Programm für das Harare International Festival of Arts, eines der größten Kulturfestivals Afrikas. Das beginnt Ende April und ich werde auch dort sein. Ich suche europaweit nach Künstlern. Eine Reihe von Autoren aus dem Ausland nimmt teil, Dichter, aus Deutschland, der Schweiz, sogar aus Indien.

Hier wundert man sich, warum Mugabe immer noch an der Macht ist.
Das ist schon verrückt. Mugabe ist jetzt 89 Jahre alt. Er ist oft unterschätzt worden. Mugabe und seine Leute sind extrem intelligent, sehr gut ausgebildet. Sie wissen genau, wie sie ihr politisches Spiel spielen müssen. Mittlerweile wollen ihn aber auch in Simbabwe die meisten Leute loswerden. Ich schätze, 80 Prozent der Menschen haben genug von ihm.

Glauben Sie, dass es im Sommer Wahlen geben wird, wie vorgesehen?
Ich kann es nur hoffen, damit wir bald einen legitimen Präsidenten haben. Derzeit machen sich die Koalitionspartner gegenseitig für die Misere verantwortlich, aber niemand wird zur Verantwortung gezogen. Es gibt keine Kontrolle.

Wie geht es weiter in Simbabwe?
Es ist zu befürchten, dass es wieder zu gewaltsamen Übergriffen kommt, wenn die Wahlen näher rücken. Das ist organisierte Gewalt, die von Mugabes Partei, der ZANU-PF, finanziert und organisiert wird. Die bezahlen arbeitslose junge Leute, die dann die Opposition angreifen, verprügeln.

Können Sie derzeit von hier aus die Politik in Simbabwe kommentieren?
Ja, ich gebe Interviews, schreibe Kommentare. Es gibt einige unabhängige Zeitungen in Simbabwe. Seit kurzem gibt es auch unabhängige Radiosender, aber die spielen nur Musik. Die TV-Sender sind hingegen komplett unter staatlicher Kontrolle. Sehr viel wird natürlich im Internet debattiert. Wenn ich auftrete und Gedichte vortrage, kann ich zwischendurch Kommentare zur politischen Lage machen, über die dann gelacht werden kann.

Welche Rolle spielt Humor für Sie?
Er ist extrem wichtig. Humor ist wunderbar: Die Menschen lachen ihre Sorgen weg. Der Humor reinigt ihre Seelen.

Das Gespräch führte Felix Ehring

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erschienen in Ausgabe 4 / 2013: Wasser
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