„Zu nichts verpflichtet“

Bis zum Jahr 2030 soll die extreme Armut weltweit beseitigt werden. So verlangt es eine Expertengruppe der Vereinten Nationen (UN), deren Bericht den Rahmen für die weitere Debatte über neue globale Entwicklungsziele vorgeben soll. Fachleute deutscher Hilfswerke sind skeptisch: Die Empfehlungen seien zu wirtschaftsfreundlich, zu vage und zu stark am bisherigen Wachstumsmodell orientiert.

Der Bericht der Expertengruppe unter dem Vorsitz von Großbritannien, Indonesien und Liberia gilt als Empfehlung für die Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsziele, die auf die bisherigen Millenniumsziele (MDG) der UN folgen sollen. Diese laufen im Jahr 2015 aus – größtenteils ohne erfüllt zu sein. Das Gremium nennt unter der Überschrift „Neue Globale Partnerschaft“ zwölf Prioritäten mit insgesamt 54 Einzelzielen. Manche Forderung ähnelt den bisherigen Millenniumszielen: Neben der Armutsbekämpfung geht es um die Gleichstellung von Mann und Frau, die Reduzierung der Kindersterblichkeit, den Zugang zu Trinkwasser, die grundlegende Bildung von Kindern. Allerdings bleibt der Bericht bei der Forderung nach adäquaten Mitteln eher zahm: Industrieländer werden lediglich aufgefordert, „Anstrengungen“ zu unternehmen, um 0,7 Prozent ihres Bruttosozialprodukts für Entwicklungshilfe auszugeben.

Dementsprechend sieht Klaus Schilder, Referent für Entwicklungspolitik bei der Hilfsorganisation Misereor, „Licht und Schatten“. Der Bericht fordere etwa, dass Regierungen und Großkonzerne ihre wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Bilanzen offenlegen sollten. „Aber das ist natürlich völlig unverbindlich“, sagt Schilder. Umso mehr fehle zumindest ein „Rechenschaftsmechanismus, um öffentlichen Druck zu erzeugen“. Zudem sei „der Menschenrechtsbezug nur sehr schwach“. Die genannten Umwelt- und Wirtschaftsziele wie etwa die Förderung der erneuerbaren Energien, die Begrenzung der Erderwärmung auf zwei Grad seien „zu wirtschaftsfreundlich“ formuliert: „Das ist traditionelle Wachstumsrhetorik mit grünem Mantel.“ 

Brot für die Welt: Das Problem der Ungleichheit kommt zu kurz

Klaus Seitz, Leiter der Abteilung Politik bei Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst, sagt, es bleibe „vage“, „wie eine Post-MDG-Agenda mit den von Rio+20 empfohlenen Nachhaltigkeitszielen zusammengeführt werden soll“ und welche „konkreten Verpflichtungen aus globalen Nachhaltigkeitszielen für die Industrieländer resultieren“. Seitz lobte, dass das Gremium einen besonderen Fokus auf die Situation der „am meisten ausgeschlossenen und verletzlichen Bevölkerungsgruppen“ lege. „Allerdings rückt insgesamt die Bedeutung des Abbaus der sozialen Kluft zwischen Reich und Arm gegenüber dem Ziel, die extreme Armut bis 2030 vollständig abzuschaffen, zu sehr in den Hintergrund.“

Die Bundesregierung hingegen lobte das UN-Panel, dem auch der frühere Bundespräsident Horst Köhler angehört hat, für seine Arbeit. Entwicklungsminister Dirk Niebel sagte, der Bericht sei „ein Meilenstein für die post-2015-Entwicklungsagenda“ und biete „eine ausgezeichnete Basis für die weiteren Diskussionsprozesse“.

Imme Scholz, stellvertretende Direktorin des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE), erklärte, eine Agenda, „die auf Nachhaltigkeit und die Verschränkung globaler und nationaler Politiken angelegt“ sei, erfordere „erheblich größere Investitionen in die globale Kooperation, als wir sie in den letzten Jahren, trotz oder wegen der Finanzkrise, gesehen haben.“ Es werde „nicht ausreichen, sich auf gemeinsame Zielkorridore zu einigen und dann auf ambitionierte nationale Politiken zu hoffen“, sagte Scholz.

Der Bericht soll nun der UN-Vollversammlung zur Diskussion vorgelegt werden, bevor Generalsekretär Ban Ki-Moon im September einen eigenen Entwurf für die Nachfolgeziele der MDG präsentiert. 

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erschienen in Ausgabe 7 / 2013: Neues Wissen im Blick
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