Mehr Gleichheit, mehr Wachstum?

Soziale Ungleichheit ist politisch bedingt und wirtschaftlich schädlich, erklärt der neue Bericht über Handel und Entwicklung der UNCTAD. Diese Kritik ist sehr bemerkenswert, doch nicht zuletzt bei den Handlungsempfehlungen ist der Bericht allzu sehr dem alten Keynes verhaftet.

(27.9.2012) Der Bericht sieht Gefahren für das Wachstum der Weltwirtschaft, die vor allem aus den Industrieländern und speziell Europa stammten. Der Versuch, dort mit Kürzungen der Staatshaushalte, Strukturreformen - etwa auf dem Arbeitsmarkt -, Lohnsenkungen und mehr Exporten aus der Krise zu kommen, sei kontraproduktiv, für den Euro tödlich und für die ganze Welt gefährlich. Diese Politik hat laut der UNCTAD bereits seit 1980 entscheidend zum Anstiegt der sozialen Ungleichheit in großen Teilen der Welt beigetragen. Und der sei eine Wurzel der gegenwärtigen Probleme. Wie der Bericht den anteilmäßigen Rückgang der Löhne zugunsten der Kapitalgewinne, die Kluft zwischen hohen und niedrigen Einkommen und die Konzentration der Vermögen auf kleine Minderheiten erklärt, ist bemerkenswert. Die UNCTAD weist auf Faktoren wie den technischen Wandel hin oder neue Unternehmensstrategien, sich nur an den Renditen und dem Börsenwert zu orientieren. Aber entscheidend sind für sie politische Fehlsteuerungen. Zu denen rechnet sie fast alles, was Globalisierungskritiker lange kritisieren: vom Abbau des Kündigungsschutzes über Strukturanpassungsprogramme im Süden und die Senkung von Steuern auf Unternehmen und hohe Einkommen bis zur Liberalisierung der Finanzmärkte.

Was empfiehlt die UNCTAD stattdessen? Mit progressiven Steuern, Sozialtransfers und öffentlichen Diensten die Ungleichheit zu verringern, ist - wie man etwa an Brasilien sieht - sicher ein guter Rat. Das gleiche gilt für mehr internationale Abstimmung, um Lohn- und Steuersenkungswettläufe zu vermeiden, und strenge Regeln für den Finanzsektor. Die Frage ist aber, wie man sie erreicht und was einzelne Länder bis dahin tun können. Eine Kernempfehlung der UNCTAD ist, Lohnsteigerungen zu fördern mit dem Ziel, dass Löhne mit der Produktivität plus der Inflation steigen. Besonders in Entwicklungsländern müssten Mindestlöhne, öffentliche Arbeitsprogramme und die Förderung des informellen Sektors zusätzlich Lohnabhängige begünstigen. So will die UNCTAD - wie schon seit Jahrzehnten - die heimische Nachfrage und damit das Wirtschaftswachstum anregen. Ob das, besonders in den Industrieländern, noch funktioniert, ist offen - und mehr noch, ob es überhaupt noch das Leitziel sein darf. Von Grenzen des Wachstums und der Frage nach Wohlstand ohne Wachstum scheint in der UNCTAD noch nie jemand gehört zu haben. Umweltfragen kommen schlicht nicht vor.  (bl)

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