Von einer Strafe Gottes spricht niemand mehr

Hochrangige Vertreter zahlreicher Weltreligionen haben sich Ende März in den Niederlanden zum ersten interreligiösen HIV/Aids-Gipfel getroffen. Dabei ging es auch um die Frage, inwieweit Religionen zur Stigmatisierung von HIV-Infizierten beitragen, und um ihre Rolle bei der Eindämmung der Pandemie.

Das Treffen hatten das Globale Ökumenische Aktionsbündnis (EAA) sowie Cordaid, ein niederländisches katholisches Hilfswerk, organisiert. Mehr als 40 Religionsführer der Baha’i, Buddhisten, Christen, Hindus, Juden, Muslime und Sikhs waren der Einladung gefolgt. „Wir wollen uns unermüdlich für ein Ende der Stigmatisierung im Denken und Handeln einsetzen, bis alle Menschen mit HIV voll und ganz in unseren Religionsgemeinschaften und Gesellschaften integriert sind“, heißt es in der am Ende der Tagung verabschiedeten „Selbstverpflichtung zu aktivem Engagement“.

„Die Stigmatisierung durch HIV und Aids ist stärker als bei jeder anderen Krankheit“, sagte Abune Paulos, der orientalisch-orthodoxe Präsident des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK). Weil Menschen aus Angst vor der sozialen Schande nicht darüber sprächen, werde Aids zu einem „leisen Killer“. Oft seien religiöse Verantwortungsträger selbst nicht bereit, offen über die mit HIV einhergehende Stigmatisierung und Diskriminierung zu sprechen, sagte Paulos. „Wir müssen uns kritisch mit den Traditionen unserer jeweiligen religiösen Institutionen auseinandersetzen.“

Olav Fykse Tveit, der Generalsekretär des ÖRK, bekräftigte das und forderte die Teilnehmenden dazu auf, über das Verständnis und den Umgang mit den Heiligen Schriften nachzudenken. „Wir können historische Texte nicht löschen oder verändern, aber wir müssen entscheiden, wie wir sie benutzen“, so Tveit. John Onaiyekan, der katholische Erzbischof von Abuja (Nigeria), hielt dagegen fest, dass die meisten Religionen heute nicht mehr von Aids als einer Strafe Gottes sprächen.

Seit der Entdeckung des HI-Virus vor 30 Jahren sind weltweit 25 Millionen Menschen an Aids gestorben. 30 Millionen Menschen sind heute HIV-infiziert. Bereits 2007 hatte die Weltgesundheitsorganisation in einem Bericht die Schlüsselrolle der Religionsgemeinschaften im Kampf gegen HIV/Aids betont und eine stärkere Zusammenarbeit zwischen ihnen und dem öffentlichen Gesundheitssektor gefordert. Allein in Afrika würden schätzungsweise bis zu 70 Prozent der medizinischen Versorgung von religiösen Organisationen getragen, heißt es in dem Bericht.

Auch UNAIDS, das UN-Programm für HIV/Aids, sieht in den Religionsgemeinschaften einen wichtigen Partner. „Indem sie sich für Solidarität in der Gemeinschaft einsetzen, tragen sie viel zur Prävention von neuen HIV-Infektionen bei und geben Infizierten die Sicherheit, dass ihnen mit Würde und Respekt begegnet wird“, sagte Michel Sidibe, der Geschäftsführer von UNAIDS.

 

erschienen in Ausgabe 5 / 2010: Menschenrechte - Für ein Leben in Würde
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