Kräutertrank aus dem Kloster

Sam Olukoya
Wirksam und beliebt: Die Mittel von Paxherbals helfen gegen Malaria, Typhus und Bluthochdruck.
Pflanzliche Medizin
Der Mönch Anselm Adodo hat in Nigeria das Unternehmen Paxherbals gegründet. Darin vereint er traditionelle Pflanzenheilkunde mit moderner Wissenschaft. Ein durch­schlagender Erfolg – wenn nur die Chinesen nicht wären.

Die wohl kühnste Initiative in der afrikanischen Heilkunde begann in einer Holzhütte im katholischen Sankt-Benedikt-Kloster in Ewu im nigerianischen Bundesstaat Edo. Dort hatte Bruder Anselm Adodo beobachtet, dass die üblichen Medikamente gegen Malaria den Mönchen und Arbeitern nicht halfen. Also beschloss er, stattdessen pflanzliche Medizin auszugeben. „Ich bereitete ein Gebräu mit Kräutern und es funktionierte besser als die anderen Mittel“, erinnert er sich.

Als die Neuigkeit über das pflanzliche Mittel aus dem Kloster in umliegenden Städten und Dörfern die Runde machte, schnellte die Zahl von Bruder Adodos Patienten in die Höhe. Sie nahm noch weiter zu, als Menschen mit anderen Leiden wie Typhus und Bluthochdruck zur Behandlung kamen. „Das hatte ich so nie geplant“, sagt Bruder Adodo. „Später dachte ich: Wenn das Bedürfnis so groß ist, dann muss man es auch richtig machen.“ Das gab ihm den Anstoß, 1996 die Paxherbals-Klinik und das Paxherbals- Forschungslabor zu gründen.

Die traditionelle Heilkunde in Afrika basiert laut Bruder Adodo vor allem auf sehr alten Bräuchen in der Verwendung von Kräutern. Paxherbals kombiniert sie mit  moderner Wissenschaft. Genau wie frühere Generationen nutzt das Unternehmen das indigene Wissen um die heilende Wirkung natürlicher Materialien wie Wurzeln, Baumrinde, Blütenstiele und Blätter. „Wir ernten die Pflanzen, trocknen sie, verarbeiten sie weiter und verwandeln sie in pflanzliche Medikamente“, sagt Bruder Adodo. Manchmal werden sogar Abfallprodukte wie kalziumreiche tierische Knochen, Schneckenhäuser und Schalen von Erdnüssen und Eiern verwendet. Auch Orangen-, Ananas- und Yams-Schalen werden genutzt. Sie helfen bei Sichelzellenanämie, einer in Afrika weit verbreiteten Blutkrankheit. Traditionelle afrikanische Heiler sind oft nicht für die Herstellung solcher pflanzlichen Arzneimittel ausgebildet. Paxherbals beschäftigt dafür Wissenschaftler.

Die Mischung wird im Labor überprüft

Die Medikamente werden unter den gleichen Bedingungen hergestellt wie in Pharmazie-Unternehmen. Labore überprüfen die Inhaltsstoffe und testen, ob die richtigen chemischen Zusätze beigemischt werden, damit die Arzneimittel wirken. Danach werden sie mit Seriennummer, Herstellungs- und Haltbarkeitsdatum versehen. Es gibt Kapseln, Tropfen,  Tee, Salbe, Seife, Tabletten, Öl und Puder. „Wir haben Kräuterheilkunde studiert und wir müssen dieses Wissen nutzen“, sagt Professor Joseph Okogun. Er ist der wissenschaftliche Leiter bei Paxherbals und einer der führenden Experten Nigerias für Pflanzenchemie.

Neben der Arzneimittel-Produktion betreibt Paxherbals drei Krankenhäuser, dort verschreiben ausgebildete Berater die pflanzlichen Medikamente. In der größten Klinik in Ewu arbeiten acht Mönche unter der Leitung von Bruder Adodo. Traditionelle Heiler in Nigeria und anderen afrikanischen Ländern geben ihren Patienten pflanzliche Medikamente für gewöhnlich ohne vorherige Tests. Die Krankenhäuser von Paxherbals werden hingegen geführt wie schulmedizinische Einrichtungen. „Wir machen hier kein Rätselraten, wir stellen Diagnosen. Man muss den Zustand des Patienten kennen, bevor er behandelt wird“, sagt Aferuan Odion Francis, der Leiter des klinischen Labors bei Paxherbals. 

Über die Behandlung von Malaria und Typhus hinaus hat sich Paxherbals auch komplizierteren Erkrankungen zugewandt: Herzproblemen, Diabetes, Bluthochdruck, Unfruchtbarkeit und Krebs. Das wissenschaftliche Team hat bereits zahlreiche Heilpflanzen ausfindig gemacht: „Wir haben Bestandteile in Pflanzen entdeckt, die bei Prostata- und Brustkrebs helfen“, sagt Professor Okogun. Das habe schon das Leben vieler Menschen verlängert. 

Für Bruder Adodo beweist Paxherbals, dass die traditionelle Medizin in Afrika modernisiert werden kann. Dafür sorgten die wissenschaftlichen Methoden sowie das Aussortieren alter Praktiken. Die afrikanische Heilkunst sei geprägt von Ritualen und Hexerei, sagt er.

Traditionelle Heiler verlieren ihre Patienten

Viele Patienten von Paxherbals haben sich zuvor von traditionellen Heilern behandeln lassen. Sie sind vom neuen Gesicht der Pflanzenheilkunde beeindruckt. „Die Medikamente sind sehr wirksam, sie sind sauber und ordentlich verpackt. Die traditionellen Heiler arbeiten oft in einem schmutzigen Umfeld. Das ist hier anders“, sagt Agunu Albert. Er hat seinen traditionellen Arzt gegen eine Behandlung in der Paxherbals-Klinik ausgewechselt.

Mehr als 1000 Händler vertreiben inzwischen die Produkte von Paxherbals. Trotzdem ist Bruder Adodo nicht ganz zufrieden. Die afrikanische Medizin müsse weiter wachsen, sagt er, sie sei noch immer zu stark in der Vergangenheit verwurzelt. Das liegt seiner Ansicht nach auch daran, dass die meisten Heiler ihr Wissen für sich behalten. Sie teilten es höchstens mit Familienmitgliedern. Doch so werde es sich niemals weiterentwickeln. „Viele der guten Pflanzenheilkundler sterben, und wir verlieren die Informationen“, meint er.

Das will Bruder Adodo ändern. Er sammelt und dokumentiert die medizinischen Kenntnisse der traditionellen Ärzte. So sollen sie bewahrt und künftigen Generationen zugänglich gemacht werden. Auf diese Weise hatte er auch das Rezept für das Malaria-Mittel für die Mönche und Arbeiter im Sankt-Benedikt-Kloster gefunden. Er habe nie die Absicht gehabt, selbst als Pflanzenheiler zu arbeiten, sagt er. „Zufallsdoktor“ nennen ihn deshalb viele. Doch Paxherbals aufzubauen, sei es wert gewesen. Denn damit habe er gezeigt: Geteiltes Wissen führe zur Verbesserung. „Wissen lässt sich am besten in Produkten bewahren, nicht in einer Bibliothek“, erklärt er. Bruder Adodo ist überzeugt: Mit der Pflanzenheilkunde könnte man viele Probleme des afrikanischen Gesundheitswesens lösen, das vor allem in vielen ländlichen Gegenden schlecht ausgebaut ist. In der Stadt Ewu hätten die Produkte von Paxherbals und die Krankenhäuser bereits geholfen, das lokale Gesundheitssystem zu verbessern, erklärt Bürgermeister Zaiki Rasaz Isesele. „Manche unserer ältesten Einwohner behandeln sie sogar umsonst.“

Autor

Sam Olukoya

ist freier Journalist im nigerianischen Lagos.
Bedroht wird die afrikanische Heilpflanzen-Industrie von Produkten aus China. Mit der Handelsliberalisierung haben sie viele afrikanische Länder überflutet. Das hat den Unternehmen vor Ort geschadet, auch in Nigeria. Dort wurden nahezu alle lokalen Hersteller vom Markt verdrängt. Manche von ihnen importieren nun sogar die chinesischen Heilpflanzen. Paxherbals hat es trotzdem geschafft, im Geschäft zu bleiben. Bruder Adodo schiebt das auf die hohen Investitionen: Paxherbals hat in den vergangenen fünf Jahren mehr als 500.000 Dollar für Forschung und Entwicklung ausgegeben.

Viele loben Bruder Adodo dafür, dass er mit Paxherbals den Menschen in ganz Nigeria hilft. Er selbst sieht die Sache anders. Es gebe noch viel zu tun, meint er. Eine seiner größten Sorgen ist die fehlende Infrastruktur. Sie müsse dringend verbessert werden, damit die Pflanzenheilkunde in Afrika eines Tages mit der chinesischen oder westeuropäischen Medizin gleichauf ist. Ein wichtiger Schritt sei es, Ausbildungsstätten einzurichten, in denen Studenten einen Universitätsabschluss in Pflanzenheilkunde machen können. Bisher gibt es solche Schulen nicht. Eines Tages, hofft er, wird er eine eröffnen. Eine, in der Kräuterärzte genauso ausgebildet werden wie Schulmediziner.

Aus dem Englischen von Hanna Pütz.

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erschienen in Ausgabe 9 / 2015: Entwicklung - wohin?
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