Zurückkehren ist riskant

Migranten aus dem Kongo
Viele Kongolesen suchen in Europa ein besseres Leben – doch nicht alle wollen für immer bleiben. Wer in die Heimat zurückkehren und dort investieren will, hat es aber nicht leicht.

Wie viele andere in Europa lebende Afrikaner sprechen auch kongolesische Migranten häufig davon, dass sie in die Heimat zurückkehren wollen. Zwar tun das in Wirklichkeit nur zehn Prozent, doch viele bemühen sich darum. Manchmal spielt dabei der Wunsch eine Rolle, „etwas zurückzugeben“: Die in Europa erworbenen Qualifikationen sollen zur Entwicklung des eigenen Landes beitragen. Andere halten das Heimweh einfach nicht aus, und vielen wird das Leben in Europa durch Rassismus, Diskriminierung und Arbeitslosigkeit verleidet.

Dagegen weckt das Wirtschaftswachstum in der Demokratischen Republik Kongo bei vielen die Hoffnung, sie könnten dort jetzt ihren Lebensunterhalt leichter verdienen als früher. Im vergangenen Jahr lag es bei 8,9 Prozent. Zwar werden im Osten des Landes noch immer Konflikte mit Waffengewalt ausgetragen. Doch der Westen bleibt von den Kämpfen so gut wie verschont und die Hauptstadt Kinshasa, das Ziel der meisten Rückkehrer, ist weitgehend sicher.

Die Rückwanderer kommen aus unterschiedlichen sozialen Schichten. Mehr noch als die Auswanderung fällt die Heimkehr denen leichter, die von Anfang an relativ privilegiert waren. Zwar streben auch viele Migranten aus ärmeren Verhältnissen zurück in die Heimat, doch ist es für sie viel schwieriger. Sie haben nicht die richtigen Beziehungen, um wirtschaftlich Fuß zu fassen, und müssen ihre bedürftigen Angehörigen unterstützen. Das zehrt an den Ressourcen, die sie brauchen, um sich eine Existenz aufzubauen.

Frau und Kinder bleiben häufig in Europa zurück

Vor allem Männer kehren heim. Viele lassen Frau und Kinder in den europäischen Gastländern zurück und statten ihnen regelmäßig kürzere oder längere Besuche ab. Denn der Kongo gilt immer noch als gefährliches Land, das ihnen nicht zuzumuten ist. Darüberhinaus reichen die Einkünfte im Kongo oft nicht aus, um Schulgeld, Arztkosten und andere Aufwendungen für die Familie zu bezahlen. Und vor allem möchte man die Verbindung zum ehemaligen Gastland ungern abreißen lassen. Denn sie dient der persönlichen Absicherung, falls man zu Hause scheitern sollte.

Die Rückwanderer sind in vielen Branchen tätig: im Handel, im Verkehrswesen, in der Landwirtschaft, im Hotel- und Freizeitgewerbe, im Bergbau und im Gesundheitswesen; sie betreiben die Ein- und Ausfuhr von Fahrzeugen, Kleidung, Haushalts- und anderen Geräten, sie arbeiten als Geistliche, Journalisten, Künstler, Menschenrechtsaktivisten und Berater ausländischer Investoren, sie bewerben sich um öffentliche Ämter oder sind bereits hauptberuflich in der Politik aktiv. Die meisten von ihnen engagieren sich in mehreren Bereichen gleichzeitig, wie es in unsicheren wirtschaftlichen Verhältnissen häufig der Fall ist: Man versucht sich abzusichern, indem man nicht alles auf eine Karte setzt.

Viele afrikanische Regierungen versuchen, qualifizierte Migranten zur Rückkehr zu bewegen. Dies gilt vor allem für Länder mit einer längeren Migrationstradition und einer großen Diaspora im Ausland wie Senegal, Ghana und die Kapverden. In der Demokratischen Republik Kongo hingegen habe die Heimkehrer wenig Hilfe zu erwarten. Im kongolesischen Außenministerium gibt es zwar ebenfalls eine Abteilung, die für im Ausland lebende Landsleute zuständig ist und den Rückkehrwilligen den Weg ebnen soll. Doch sie hat wenig Geld und Personal. Das liegt zum Teil an der Schwäche der staatlichen Strukturen und an den vielen anderen Problemen des Landes. Hinzu kommt jedoch, dass sich die kongolesische Diaspora in den vergangenen Jahren stark politisiert hat. Vor allem seit den manipulierten Wahlen von 2011 lehnen viele Auslandkongolesen die gegenwärtige Regierung ab und unterstützen die Opposition – ebenso wie viele Rückkehrer. Die dürften der Regierung deshalb kaum willkommen sein.

Keine Chance auf Darlehen

Auch sonst stoßen die Heimkehrer auf zahlreiche Hindernisse. Das fängt bei der Beschaffung von Startkapital an. Oft ist es weder im Gastland noch in der DR Kongo möglich, ein Darlehen aufzunehmen. Viele Rückwanderer sind deshalb auf ihre Ersparnisse angewiesen, die sie in Europa angelegt haben, oder sie müssen sich im privaten Umkreis Geld leihen. In der Regel können sie deshalb zunächst nur sehr wenig investieren. Und dann müssen sie feststellen, dass es sehr schwierig ist, im Kongo Geschäfte zu betreiben. Die DR Kongo gilt als Land mit besonders vielen Investitionshindernissen, und auf dem Geschäftsklimaindex der Weltbank rangiert sie ganz weit unten. Schuld daran sind die anhaltenden Unruhen im Osten des Landes und die politische Instabilität, die unzulängliche Infrastruktur und die hohen Steuern, die offiziell erhoben werden.

Die staatlichen Institutionen und die öffentliche Verwaltung funktionieren nicht effizient. Eigentumsrechte sind nicht ausreichend geschützt, Planungen so gut wie unmöglich. Das ist ein Erbe der 1980er Jahre, in denen die Wirtschaft des damaligen Zaire unter dem Regime des Präsidenten Mobutu Sese Seko zusammenbrach. Seine Funktionäre wirkten aktiv an der Zerstörung geordneter wirtschaftlicher Verhältnisse mit, und da die Wirtschaft immer unproduktiver wurde, versiegten die offiziellen Einnahmen des Staates. Trotzdem blieben staatliche Machtbefugnisse uneingeschränkt erhalten. Politiker und hohe Bürokraten nutzten sie immer dreister aus, um ihre persönlichen Einkünfte zu vermehren. Sie erhoben zahlreiche inoffizielle Abgaben und ließen sich etwa für die Unterstützung bei Firmengründungen mit Beteiligungen und anderen finanziellen Zuwendungen bezahlen.

Zwar hat die Regierung von Präsident Joseph Kabila nach den Wahlen von 2006 eine Reihe von Reformen eingeleitet, doch es bleibt schwierig, ein Geschäft aufzubauen. Viele Heimkehrer berichten davon, wie sie hochrangige Beamte motivieren mussten, ihnen Genehmigungen zu erteilen – entweder durch direkte Geldgeschenke oder indem sie sie an ihren Geschäften beteiligten. Um etwas zu erreichen, mussten sie viele Male bei unterschiedlichen Bürokraten vorsprechen, deren Befugnisse unklar blieben, die aber alle irgendwelche Zahlungen einforderten.

Unter solchen Umständen sind die Heimkehrer auf gute Beziehungen zu einflussreichen Leuten angewiesen, die sie unter ihre Fittiche nehmen. So werden geschäftliche Transaktionen erleichtert, offizielle und inoffizielle Steuern und Abgaben können auch einmal umgangen werden. Ein Rückkehrer, der nach elf Jahren in Europa versucht, in der Demokratischen Republik Kongo neben seiner Tätigkeit als Investmentberater für ausländische Firmen eine Zeitung zu gründen, drückt es so aus: „Man braucht Kontakte und Beschützer. Wenn man die hat, sind die Erfolgsaussichten viel besser, weil man dann nicht schikaniert wird.“ Viele Rückkehrer scheitern, weil ihre Beziehungen durch die Migration abgerissen waren und sie deshalb keine wirksamen Seilschaften aufbauen konnten. Die Erfolgreichen nannten ihre privaten Netzwerke häufig als Grund dafür, dass ihre Geschäfte relativ reibungslos liefen. Doch stützten sich die meisten auf Beziehungen, die schon vor ihrer Auswanderung bestanden hatten, oder auf solche, die ihre Familienmitglieder während ihrer Abwesenheit angeknüpft und gepflegt hatten.

Die weniger erfolgreichen Rückkehrer sagen, wegen ihrer Außenseiterposition hätten sie keine nützlichen Kontakte. Manche meinen, in Europa hätten sie nur ihre Zeit verschwendet, denn durch das Abreißen von Beziehungen sei ihre Situation nun umso schwieriger geworden. Eine Ausnahme sind diejenigen, die als Mittelsmänner für ausländische Investoren tätig sind und für sie Verträge und Genehmigungen aushandeln. Sie stützen sich überwiegend auf Kontakte, die sie in Europa herstellen konnten.

Unterstützung für Verwandte

Schwierigkeiten können den Heimkehrern auch ihre Familien bereiten. Deren Ansprüche und Erwartungen hindern besonders Männer aus ärmeren Schichten daran, sich erfolgreich selbstständig zu machen. Im Unterschied zu den wohlhabenderen Rückwanderern, deren Familien ihnen Kontakte, Kredite, eine Unterkunft und genügend Geld für den täglichen Bedarf verschafften, müssen sie ihre bedürftigen Verwandten finanziell unterstützen und ihnen Verdienstmöglichkeiten anbieten.

Autorin

Maria Eriksson Baaz

ist Associate Professor am Nordic Africa Institute in Uppsala und an der School of Global Studies der Universität ­Göteborg in Schweden.
Ein Mann aus ärmlichen Verhältnissen, der zwölf Jahre in Europa gewesen war, erklärt: „Es ist wirklich schwierig, wenn man zurückkommt, denn vielen Familien geht es schlecht. Die Angehörigen sind krank, sie können das Schulgeld nicht bezahlen oder die Bestattungskosten nicht aufbringen – irgendwo klemmt es immer.“ Da könne man kaum Nein sagen, aber es sei schlecht für die Geschäfte. „Oft muss man Geld abzweigen, das für Investitionen in den eigenen Betrieb bestimmt war.“ Er ist bereits mit mehreren Versuchen einer Existenzgründung gescheitert. Auch seine derzeitigen Geschäfte mit dem Import von Fahrzeugen und landwirtschaftlichen Produkten laufen nicht gut.

Trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs der vergangenen Jahre bleibt es schwierig, als Heimkehrer in der DR Kongo seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Vielen misslingt es, sie gehen nach Europa zurück und versuchen es dann erneut. Von den erfolgreichen Rückwanderern haben die meisten mehrere Male vergeblich versucht, sich selbstständig zu machen. Ähnlich wie den Kongolesen ergeht es auch den Migranten aus anderen afrikanischen und sonstigen Ländern. Ihre Erfahrungen zeigen, dass die Rückkehr nicht so einfach ist, wie es in der aktuellen politischen Diskussion häufig dargestellt wird. Wenn man die Heimkehrer als die idealen neuen Entwicklungshelfer verklärt, fegt man die realen Probleme meist unter den Teppich.

Aus dem Englischen von Anna Latz.

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erschienen in Ausgabe 12 / 2015: Agrarindustrie: Vitamine aus der Tüte
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