Neuer Rohstoff, alter Wohlstand?

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Mit Zucker lässt sich nicht nur süßen – er liefert den Grundstoff für allerlei Konsumgüter. Ist das ein Ausweg aus der klima- und umweltschädlichen Ressourcenverschwendung?

Einweg-Partygeschirr, Frischhaltefolie, Sprit und Strom haben eines gemeinsam: Sie lassen sich aus Zucker herstellen. Es gibt immer mehr Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen, auch aus Zuckerrohr oder Zuckerrübe. Daran wird in vielen Laboren auf dem Weg hin zu einer grüneren Wirtschaft geforscht.

Sie soll weniger abhängig von Brennstoffen mit schlechter Klimabilanz wie Erdöl, Kohle und Gas sein und Wachstum mit Nachhaltigkeit verbinden, heißt es beim Bioökonomierat, der die Bundesregierung berät. Die hat im Rahmen ihrer Bioökonomie-Strategie seit 2010 rund 2,4 Milliarden Euro an Forschungsprojekte verteilt. Mit rund 13,5 Millionen Euro davon hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in den vergangenen sechs Jahren auch Forschungsprojekte zur Umwandlung von Zucker in Bioethanol gefördert.

"PlantBottle" aus Zuckerrohr  – und Plastik

Plastiktüten auf Zuckerbasis sind ein Beispiel für mögliche Produkte. Die auf Wirtschaft und Umwelt spezialisierte „taz“-Journalistin Heike Holdinghausen findet allerdings: Das klingt nicht nach dem epochalen Wandel, der mit Bioökonomie angeblich erreicht werden soll. Einige Ideen wie die künstliche Photosynthese seien reine Zukunftsmusik. Manches scheinbar nachhaltige Produkt hält auch nicht, was es verspricht. Die PET-Flaschen „PlantBottle“ von Coca-Cola etwa bestehen zu 30 Prozent aus abbaubarem Bio-Ethanol, gewonnen aus Zuckerrohr. Doch die übrigen 70 Prozent sind nach wie vor aus erdölbasiertem Plastik – die Flaschen lassen sich also trotz des Biomasse-Anteils nur schwer abbauen.

Als vielversprechend gelten Zucker- und Stärkeraffinerien, ein Schwerpunkt in der Bioökonomie-Strategie. In der Anlage am Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse (CBP) etwa soll Holz in Zucker und dieser in einen Erdölersatzstoff umgewandelt werden. Es läuft gut, nur der Energieverbrauch sei noch zu hoch, heißt es dort. Bei anderen Projekten hakt es, so wie bei der Umwandlung von Zuckerrüben in Energie. Die Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe des Bundeslandwirtschaftsministeriums erklärt, es gebe kaum eine bessere Energiepflanze als die Zuckerrübe, allerdings sei die Aufbereitung und Lagerung der Knollengewächse schwierig und teuer.

Kurz vor der Marktreife steht dem BMBF zufolge bisher die Herstellung von Bioethanol aus Zucker, der aus Stroh gewonnen wird. Eingesetzt wird es bisher als Treibstoff in der chemischen Industrie. Dort soll vor allem Biomasse aus Nebenerzeugnissen sowie Rest- und Abfallstoffen genutzt werden: Je mehr Biomasse für Energie und Industrie verwendet werde, desto stärker müsse auf Ernährungssicherheit geachtet werden. Die sei in allen Vorhaben vorrangig.

Internationale Standards für Biomasse gefordert

Kritiker der Bioökonomie-Strategie fürchten, dass diese Versprechen nicht gehalten werden – und knüpfen damit an die Teller-Tank-Debatte an. Entwicklungspolitische Organisationen wie FIAN bemängeln, dass die Ärmsten dabei übersehen werden und Landraub zunimmt. Bisher müssen nur Kraftstoffe zertifiziert werden, sprich: Aus Zucker hergestelltes Ethanol im Treibstoff muss ausgezeichnet werden, aber das Zuckerrohr für das Einweg-Partygeschirr nicht unbedingt. Die Welthungerhilfe fordert deshalb internationale Standards für Biomasse.

Zusammen mit dem Zentrum für Entwicklungsforschung der Universität Bonn hat die Hilfsorganisation einen solchen Standard entwickelt. Er legt ökologische, wirtschaftliche und soziale Kriterien fest. Das heißt: Auf Zuckerrohrplantagen soll auf Umweltschutz genauso geachtet werden wie auf faire Einkommen und sichere Arbeitsbedingungen. Die meisten Unternehmen würden sich auf verpflichtende Standards einlassen, glaubt Rafaël Schneider von der Welthungerhilfe. Dann müssten sich alle an die Spielregeln halten, und keine Firma hätte einen Konkurrenznachteil, weil sie Standards befolgt. „Aber Regierungen lassen sich nicht so gerne verpflichten und bauen lieber auf Freiwilligkeit“, sagt er. Denn verbindliche Standards festzulegen, entsprechende Gesetze zu formulieren und die Gegner zu überzeugen bedeute viel Arbeit, erst recht auf EU-Ebene.

Autorin

Hanna Pütz

hat bei „welt-sichten“ volontiert und ist jetzt Online-Redakteurin bei „Aktion Deutschland Hilft“ in Bonn.
Vielleicht bewegt sich im kommenden Jahr etwas. Dann soll die Bioökonomie-Strategie neu aufgesetzt und weiterentwickelt werden. Die Autorin Christiane Grefe, die ein Buch zur Bioökonomie geschrieben hat, meint: Es sollten weniger einzelne Technologien wie Plastik aus Zuckerrohr hochgelobt und stattdessen mehr über andere Wirtschaftsmodelle nachgedacht werden. Bioökonomie könne nicht bedeuten, dass Produktion und Konsum so weiterlaufen wie bisher. Das komme in der Debatte zu kurz. Beim federführenden Forschungsministerium ist das angekommen. Dort heißt es, auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft müssten sowohl wirtschaftliche, technische und ökologische als auch gesellschaftliche Veränderungen stattfinden.
 

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erschienen in Ausgabe 8 / 2016: Zucker: Für viele süß, für manche bitter
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