„Kein Ersatz für Vorsorge“

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Klimaversicherung
Die African Risk Capacity (ACR) versichert Länder gegen die Folgen von Dürren. Dolika Banda, die Chefin der Versicherung, erklärt, was das bringt und wieso es im Fall Malawi Streit über die Auszahlung gab.

Warum versichert Ihre Agentur ganze Länder und nicht direkt die Betroffenen?

Es ist natürlich besser und gerechter, wenn ein Bauer selbst entscheiden kann, ob er sich gegen ein Risiko versichern will oder nicht. Aber viele Kleinbauern in Afrika sind zu arm, um sich eine Versicherung leisten zu können. Bei vielen reicht es nicht einmal für die Mikroversicherungen mit sehr geringen Beiträgen, die über Handys abgerechnet werden. Das sind aber oft die Leute, die besonders stark unter dem Klimawandel und den Dürrefolgen leiden. Wir wollen diese Menschen schützen – und gehen deshalb den Umweg über die Versicherung von Staaten.

Wie viele Länder machen mit?

Wir haben die Versicherung Ende 2013 aufgesetzt, seitdem haben 30 afrikanische Länder ihr Interesse bekundet. Eingezahlt haben bis jetzt acht Staaten: Burkina Faso, Senegal, Mauretanien, Niger, Mali, Malawi, Gambia und Kenia. Langfristig wollen wir alle afrikanischen Länder mit ins Boot zu holen.

Gab es schon Auszahlungen?

Ja, nach einer Dürre im Sahel gab es 2015 Geld für Mauretanien, den Senegal und Niger. Insgesamt haben wir den drei Ländern 23 Millionen Dollar ausgezahlt, die als Nahrungsmittel und Tierfutter 1,3 Millionen Haushalten zugutekamen.

Wer garantiert, dass das Geld auch bei den Betroffenen ankommt?

Bevor wir das Geld freigeben, müssen die Regierungen einen Plan vorlegen, wie sie damit den Ärmsten und am stärksten betroffenen Haushalten helfen wollen; ob sie Nahrungsmittel oder Saatgut verteilen oder Bargeld auszahlen. Das ist immer von den jeweiligen Bedingungen abhängig. Wir prüfen dann später, ob das auch so umgesetzt wurde, und fordern notfalls Nachbesserungen.

Wie stellen Sie fest, ob ein Schadensfall eingetreten ist?

Am Ende jeder Saison wird geschaut, ob alles normal lief oder ob es sich um eine Dürresaison handelt. Wir verwenden dafür Satellitendaten des World Food Programme. Maßgeblich sind die Regenmenge und die Trockenzeiten. Davon ausgehend berechnen wir, wie groß die Ernteausfälle sind und wie viele Menschen betroffen sind. Ab einer bestimmten Zahl an Dürreopfern greift dann die Versicherung.

Ist das immer so einfach zu bestimmen? Für Malawi, das seit Jahren unter einer Dürre leidet, hat ihre Gesellschaft im Sommer die Zahl der Betroffenen mit 21.000 angegeben. Die Regierung von Malawi sprach dagegen von rund 6,5 Millionen.

Dass die Zahlen so weit auseinander lagen, hatte vor allem zwei Gründe: Malawi hatte bei uns Ernteausfälle für eine bestimmte Sorte von Mais versichert, im Großteil des Landes aber wurde eine andere Sorte ausgesät, die schneller keimt und daher in kürzerer Zeit mehr Regen braucht. Wir sind bei der Berechnung der erforderlichen Regenmenge aber von einer deutlich längeren Keimzeit ausgegangen. Es ist also deutlich weniger Mais gewachsen, als wir auf Basis der Satellitendaten angenommen hatten. Wir haben das inzwischen korrigiert. Die zweite Fehlerquelle war, dass die Regierung bei den 6,5 Millionen auch Ernteverluste der Vorjahre mit eingerechnet hatte. Der versicherte Zeitraum ist aber jeweils nur die zurückliegende Saison. Inzwischen ist aber auch das geklärt und ich denke, dass wir bald zu einer Einigung kommen und Malawi auszahlen können.

Müssen Sie Ihre Methoden verbessern?

Wer eine Versicherung gegen Klimafolgen anbietet, muss seine Methoden ständig anpassen, um möglichst genau die Risiken und die Auswirkungen des Klimawandels abschätzen zu können. Aber natürlich bleibt es eine Versicherung, die schon per Definition keine Auszahlung garantiert.

Eine Kritik an Klimaversicherungen ist, dass Versicherte weniger Vorsorge betreiben, weil sie im Schadensfall ja sowieso ausgezahlt werden.

Jedes Land, das sich von uns versichern lassen will, muss bestimmte Bedingungen erfüllen, etwa Getreidesilos für Notzeiten füllen. Betreiben Länder weitere Vorsorge, werden die Prämien reduziert. In Kenia wirkt das zum Beispiel schon sehr gut. Dort hat die Regierung ein Frühwarnsystem für Dürren aufgebaut und klärt die Bevölkerung über Risiken und den richtigen Umgang mit Ressourcen auf.

In Afrika gibt es Regionen, die viel stärker als andere von Dürren betroffen sind. Kann da ein solidarisches Versicherungssystem langfristig funktionieren?

Ich glaube, die afrikanischen Länder sind dabei, mehr gemeinsame Verantwortung zu übernehmen. Sie haben erkannt, dass die wirtschaftlichen Folgen selten auf ein Land beschränkt sind. Wenn es eine Dürre in Mali gibt, dann spürt das auch die Elfenbeinküste, weil die Menschen einfach über die Grenze gehen. Deshalb hat zum Beispiel Sambia kürzlich seine Getreidesilos geöffnet und einen Teil der Rücklagen an Malawi verkauft, wo die Auswirkungen der Dürre wesentlich gravierender sind.

Versichert sind bislang nur Dürrefolgen, aber nicht andere Naturkatastrophen. Warum?

Wir haben mit Dürren angefangen, weil es darüber die meisten Daten gibt, und weil es das größte Problem ist. Demnächst wollen wir eine Versicherung gegen Überflutungen in Küstengebieten aufsetzen. Auch Versicherungen gegen Wirbelstürme und sogar Epidemien könnten künftig ein Thema sein.

Das Gespräch führte Sebastian Drescher

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erschienen in Ausgabe 12 / 2016: Energie für alle
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