Abfall verzweifelt gesucht

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China
Zu Chinas Wirtschaftswunder hat der Import von Abfällen beigetragen. Daraus stammen billige Rohstoffe, etwa für die Textilwirtschaft. Die Regierung hat die Einfuhr stark eingeschränkt und zwingt die Recyclingfirmen auf neue Wege.

Eine Ladung weggeworfener Plastikflaschen aus den USA trifft im Hafen von Tianjin ein, dem größten im nördlichen China. Von hier wird sie in die Provinz Hebei nahe Peking geschafft, wo der Abfall sortiert und zu Plastikplättchen eingeschmolzen wird. Die gehen dann auf Lastern in die Provinz Zhejiang an der Südostküste; hier werden Feuerzeuge daraus gegossen. In der nördlich angrenzenden Provinz Jiangsu werden die Zündräder aufgesetzt und die fertigen Feuerzeuge dann in Schanghai auf Schiffe verladen – für den Verkauf in Europa. Das ist ein Beispiel für Plastikrecycling in China. Es gehört zu einer großen, viele Millionen Dollar schweren globalen Industrie, die mit Abfall handelt.Doch der Nachschub an festen Abfällen, die nach China eingeführt werden, ist jetzt gefährdet.

Seit Anfang Januar gilt in China ein Verbot von Müllimporten, das 24 Arten von festen Abfällen trifft, darunter Haushaltsplastikmüll, unsortierten Papiermüll und Abfalltextilien. China hatte schon vor 2018 strenge Importregeln. Es war verboten, gefährlichen Müll oder Medikamentenabfälle einzuführen. Der Zoll hat versucht, illegale Importe zu unterbinden, aber oft vergeblich. „Der illegale Import von Müll aus Übersee ist trotz der Versuche, ihn zu verhindern, weitergegangen“, erklärt das Umweltschutzministerium in einer Stellungnahme. „Das schadet der öffentlichen Gesundheit und Chinas Umwelt.“ Als etwa medizinische Abfälle aus den USA ins Land gelangten und in Spielzeugen endeten, löste das in der Öffentlichkeit Sorge aus. Ärger in der Bevölkerung ist ein Grund für das jüngste Importverbot.

Das Wirtschaftswachstum soll nachhaltig werden

Doch es soll nicht nur die Verschmutzung verringern. Das Verbot ist auch ein zentraler Teil von Chinas Strategie, eine Kreislaufwirtschaft in Gang zu bringen. Ziel ist es, Abfall zu verringern, ihn besser zu handhaben und das Land in Richtung auf ein nachhaltigeres Modell des Wirtschaftswachstums zu bewegen.

China hat zuletzt 7,34 Millionen Tonnen Müll pro Jahr importiert, das ist 24 Mal mehr als 1992. Der größte Teil wurde recycelt, und das macht die Importe wirtschaftlich lohnend. Doch andere Teile werden auf Deponien abgeladen, verbrannt oder in Flüssen und im Meer entsorgt. Dazu gibt es allerdings keine Zahlen.

Die Müllimporte unterliegen einem System von Importquoten: Jedes Jahr gibt das Umweltschutzministerium bestimmten Unternehmen Lizenzen, um „erneuerbare Ressourcen“, also Müll, legal einzuführen. Die Firmen müssen das jedes Jahr neu beantragen und das Ministerium kann es ablehnen. Die Umweltschutzregeln sind in den vergangenen Jahren immer strenger geworden und die Zahl der Lizenzen ist entsprechend gesunken. Das Quotensystem lässt Firmen den Weg offen, das Ministerium zu bestechen.

Das Lizenzsystem hat einflussreichen Interessengruppen zur Blüte verholfen, räumt Li Boyang ein, der stellvertretende Leiter des Instituts für Energiesparen in der Industrie und für Umweltschutz an der chinesischen Denkfabrik CCID Wise. Die Möglichkeit, riesige Profite zu machen, habe „mehr als den üblichen Spielraum für das Abschöpfen von Renten“ eröffnet.Abfallhändler machen in China ein Geschäft damit, Müll zu Niedrigstpreisen zu kaufen, ihn zu sortieren und dann weiterzuverkaufen. Aufgearbeitetes Plastik wird zum Beispiel in Chemiefasern und Textilien verarbeitet. Müll aufzubereiten – trennen, mahlen, Wasser entziehen, spülen, schmelzen und so weiter, je nach Stoff – kostet laut der Nachrichtenagentur Xinhua pro Tonne in Industrieländern zwischen 400 und 1000 US-Dollar, in China 10 bis 40 US-Dollar einschließlich Transportkosten.

Der Müllhandel hat China geholfen, seinen Preisvorteil bei einfachen Industriegütern zu behalten, weil er billige Rohstoffe bereitgestellt hat. Aber er hat auch informelle und gefährliche Arbeitsbedingungen gefördert. So in Guiyu, einer Stadt in Südchina, die früher ein Zentrum für Aufarbeitung von Elektronikmüll war. Jahrelang zerlegten Arbeitskräfte mit groben und unsicheren Methoden geschmuggelten Elektroschrott, setzten damit ihre Gesundheit aufs Spiel und verschmutzten Luft, Wasser und Böden. Nachdem eine Untersuchung 2015 das Ausmaß der Verschmutzung an den Tag gebracht hatte, wurden die meisten dieser Zentren geschlossen.

China will ein eigenes Recyclingsystem aufbauen

Seit 2013 hat China die Qualität des importierten Mülls überwacht und ist gegen illegale Importe vorgegangen – das heißt solche, die den Standards der offiziellen Betriebe zur Aufarbeitung nicht entsprechen oder die eingeschmuggelt werden. Der Schmuggel ist zurückgegangen, aber die Abhängigkeit von importiertem Müll ist weiter ein Problem. Bis Ende 2019 will Chinas Regierung nun alle Importe von festem Müll beenden – ausgenommen einige Sorten, die im Land nicht anfallen. Welche das sind, ist bislang nicht klar. China will ein eigenes Recyclingsystem aufbauen: Für Müll aus dem Land wird die Aufarbeitung unterstützt. Für Müllsorten, die im Land nicht entstehen, so dass die enthaltenen Rohstoffe fehlen, werden Importe weiter nötig sein.

Das Importverbot stellt Recyclingbetriebe und Hersteller, die auf Papier und Plastik aus dem Ausland angewiesen sind, unmittelbar vor Probleme. Auf lange Sicht aber könnten tiefgreifende Reformen des Sektors die Folge sein. Laut Experten hat der Müllimport zu einer Spaltung des Recyclingsektors in China geführt. Li Boyang erklärt, dass der im Inland erzeugte Abfall von schlechterer Qualität und schwerer zu recyceln sei und in kleineren Firmen ende, die den Standards nicht entsprechen. Nun steht der Recyclingsektor vor der schwierigen Aufgabe, sich von vorsortiertem Importmüll umzustellen auf unsortierten, qualitativ schlechteren einheimischen Müll. Der Wettbewerb um knappe Rohstoffe wird härter werden und der Preis des importierten Abfalls wird steigen. Das werde kleinere und weniger effiziente Recyclingunternehmen aus dem Markt drängen, sagt Li. Die Regierung hat bereits begonnen, einigen die Betriebsgenehmigung zu entziehen.

Autorin

Feng Hao

ist Mitarbeiterin von Chinadialogue in Peking. Auf diesem Dialogportal zu Umweltfragen Chinas (www.chinadialogue.net) ist eine frühere Fassung ihres Beitrags auf Englisch und Chinesisch erschienen.
Sie hebt auch für weiter erlaubte Abfallimporte die Standards an. Schrott aus Nichteisenmetallen darf jetzt höchstens ein Gewichtsprozent an Papier, Holz, Gummi oder Glas enthalten. Etwa ein Fünftel des Kupferabfalls und sieben Prozent bei Aluminium werden laut Liu Wei, dem Vizeleiter der Chinesischen Industrievereinigung Nichteisenmetalle, nicht mehr akzeptiert werden.

Li Zhiqing, stellvertretender Leiter des Instituts für Umwelt und Energie an der Fudan-Universität in Schanghai, hält es für unvermeidlich, dass der Recy­clingsektor insgesamt kurzfristig Profite verliert; wenn die Rohstoffpreise steigen, kämen neue Firmen auf den Markt und der Effekt werde gemildert. Langfristig soll das Importverbot die Recyclingrate in China selbst erhöhen. Die Erwartung ist, dass es die Mülltrennung in den Haushalten und die Kreislaufwirtschaft fördert. Laut Li Zhiqing hat Chinas Industrie drei Möglichkeiten: neues Material zu nutzen, recyceltes aus importiertem Abfall oder aber recyceltes aus China selbst. Mit den Steuern auf Energie und Rohstoffe, etwa auf Kupfer, sind die Preise für neues Material gestiegen. Laut Greenpeace Ostasien wird das Verbot des Abfallimports China helfen, die Behandlung des heimischen Mülls und das Recycling auf einen höheren Standard zu bringen.

Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass einheimischer Müll den Mangel an importiertem ganz ausgleicht. Papierhersteller haben bereits mit Rohstoffmangel zu kämpfen. Laut einem Informationsportal der Industrie  wird der Import von Papiermüll 2018 gegenüber 2017 um 28 Prozent sinken. Es wurde sogar schon berichtet, dass offiziellen Verlagen der Kommunistischen Partei das Zeitungsdruckpapier ausgeht.

Aus dem Englischen von Bernd Ludermann.

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erschienen in Ausgabe 5 / 2018: Müllberge als Goldgruben
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