Falsches Signal

Im November haben die Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) ein Handelsabkommen mit Kolumbien unterzeichnet. In der Schweiz befasst sich das Parlament voraussichtlich im Sommer mit dem Vertrag. Kritische Stimmen in Kolumbien und der Schweiz monieren, das Abkommen diene vor allem den Interessen der EFTA-Staaten Island, Liechtenstein, Norwegen und Schweiz.

„Die Wirtschaftsmächte schützen, was sie schützen wollen, und uns zwingen sie die Öffnung auf", sagt Freddy Lozano von der Gewerkschaft Sintracarbón, die die Arbeiter der Kohlemine El Cerrejón im Nordosten Kolumbiens vertritt. Zur Vorbereitung auf den freien Handel seien in Kolumbien viele Gesetze angepasst worden - mit gravierenden Auswirkungen: „Immer mehr Unternehmen setzen auf befristet beschäftigte Arbeiter ohne tariflichen Arbeitsvertrag", sagt Lozano. Die Mine El Cerrejón, die zu einem Drittel im Besitz des Schweizer Unternehmens Xstrata ist, beschäftigt heute 4200 Festangestellte und 5500 Zeitarbeiter.

Nichtstaatliche Organisationen beobachten die Entwicklung mit Sorge. Für sie ist das Freihandelsabkommen mit Kolumbien ein typisches Beispiel für jene Art von Verträgen, die seit dem Scheitern der Doha-Runde geschlossen werden: Die Entwicklungsländer machen bei den so genannten Singapur-Themen wie Dienstleistungen, Investitionen und Schutz des geistigen Eigentums Zugeständnisse, die sie in den WTO-Verhandlungen noch strikt abgelehnt haben - zum Vorteil multinationaler Unternehmen und zum Nachteil von Arbeitern, Bauern und Bäuerinnen. So hat die Regierung Kolumbiens mit Blick auf die geplanten Freihandelsabkommen mit der EFTA, vor allem aber mit den USA die Arbeitsgesetze geändert.

Ein anderes Beispiel ist das Patentrecht. Gemäß den WTO-Bestimmungen ist es den Staaten erlaubt, Pflanzen von der Patentierbarkeit auszunehmen. Das EFTA-Abkommen aber verpflichtet Kolumbien dazu, auf die Patentierbarkeit von Pflanzen hinzuwirken und die Patentierung von Mikroorganismen zu vereinfachen. Multinationale Unternehmen können künftig ihre entsprechenden Patente also auch in Kolumbien anmelden, was die freie Nutzbarkeit einschränkt. „Das dient bestimmt nicht der kolumbianischen Bevölkerung", sagt François Meienberg, Spezialist für geistiges Eigentum bei der Erklärung von Bern (EvB).

Auch bei den Medikamenten geht das Abkommen über den im Rahmen des TRIPS-Abkommens geltenden Patentschutz von 20 Jahren hinaus. Das EFTA-Abkommen mit Kolumbien schreibt eine Verlängerung des Patentschutzes vor, falls die erste Zulassung des Medikamentes „unverhältnismäßig lange" dauert. In der Regel dauert es nach der Anmeldung eines Patentes mehrere Jahre, bevor ein Medikament auf den Markt kommt. Andere Freihandelsabkommen sehen für solche Fälle explizit eine Verlängerung des Patentschutzes um fünf Jahre vor. Eine solche Verlängerung aber kann Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung in Entwicklungsländern haben, weil es länger dauert, bis Generikahersteller kostengünstige Nachahmerprodukte anbieten dürfen. Laut Stephan Suhner von der Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien (ask) sind viele Kolumbianer „auf Generika angewiesen, denn sie können sich keine teuren Medikamente leisten".

Die Organisationen haben indes auch grundsätzliche Einwände. Suhner gibt zu bedenken, dass in den USA die Demokraten im Kongress wegen der gravierenden Verletzungen der Menschen- und Gewerkschaftsrechte in Kolumbien ein Freihandelsabkommen abgelehnt haben. Die Ratifizierung des EFTA-Abkommens wäre ein falsches Signal an die kolumbianische Regierung. Und sie würde die Kohärenz der Schweizer Politik gefährden: Im Rahmen der Friedensförderung setze sich die Schweiz für die Einhaltung von Menschenrechten ein, und in der Wirtschaftspolitik sehe sie über Menschenrechtsverletzungen hinweg.

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) widerspricht. Das Freihandelsabkommen bezwecke zwar in erster Linie die Förderung von Handel und Investitionen. Dadurch werde aber auch die soziale Entwicklung unterstützt. „Dies ist eine Voraussetzung zur Verbesserung der Menschenrechtslage", sagt Philippe Etienne vom SECO. Beim geistigen Eigentum gehe das EFTA-Abkommen zudem nicht über jene Abkommen hinaus, die Kolumbien bereits mit anderen Staaten geschlossen habe.

Charlotte Walser, InfoSüd

 

 

erschienen in Ausgabe 3 / 2009: Südafrika: Neue Freiheit, alte Armut

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