Etappensieg der Demokraten

Sri Lanka
In Sri Lanka haben Richter, Parlamentarier und Bürger erreicht, dass der gewählte Premierminister wieder im Amt ist. Doch nun sind wichtige Reformen blockiert.

Sri Lankas Präsident Maithripala Sirisena hat sich verrechnet. Mit einem überraschenden Schachzug hatte er im Oktober den von einer Parlamentsmehrheit unterstützten Premierminister Ranil Wickremasinghe abgesetzt und dessen Amt dem früheren Präsidenten Mahinda Rajapaksa übertragen. Dabei hatten Sirisena und Wickremasinghe sich 2015 zusammengetan, um die Wahlen gegen Rajapaksa zu gewinnen. Dass er Wickremasinghe nun absetzte, rechtfertigte Sirisena damit, dessen Politik gefährde die nationale Sicherheit. Als sich die Mehrheit der Abgeordneten hinter den geschassten Premierminister stellte, löste der Präsident das Parlament auf.

Doch das Verfassungsgericht hat diese Entscheidung rückgängig gemacht. Dabei ging es vor allem um die Frage, ob der Machtwechsel im Einklang mit den Gesetzen vollzogen wurde. Vieles deutete darauf hin, dass es sich um einen Staatsstreich handelte, weil Rajapaksa ernannt wurde, ohne dass Wickremasinghe rechtmäßig aus dem Amt geschieden war.
Heute haben die sri-lankischen Politiker aller Richtungen einen schlechten Ruf. Die Wirtschaft schwächelt; potenzielle ausländische Investoren zögern und beobachten das Geschehen. Doch zwei Beteiligte gehen aus der Krise gestärkt hervor, und das könnte auf lange Sicht von Nutzen für das Land sein.

Der eine ist die Justiz. In vielen Ländern gewinnt die Exekutive zunehmend Kontrolle über die Gesetzgebung und die Rechtsprechung, nicht aber in Sri Lanka. Es gereicht den Verfassungsrichtern zur Ehre, dass sie sich nicht vor ihrer Verantwortung gedrückt haben. Sie sind vorangegangen, als es darum ging, Politiker in die Schranken zu weisen, die in der Exekutive wie der Legislative Amok zu laufen drohten.

Die Zivilgesellschaft ist gestärkt

Zunächst urteilten sie einstimmig, dass die Auflösung des Parlaments zu dem Zeitpunkt verfassungswidrig war. Denn der 19. Zusatzartikel der sri-lankischen Verfassung bestimmt, dass der Präsident das Parlament frühestens viereinhalb Jahre nach Beginn der Legislaturperiode auflösen darf – und nicht bereits nach drei Jahren, wie Sirisena es versucht hatte. Als Rajapaksa bei einem Misstrauensvotum im Parlament unterlag und trotzdem nicht als neuer Premierminister zurücktreten wollte, urteilten die Richter, weder er noch seine Minister dürften ihre Ämter weiter ausüben, bis der Fall entschieden sei. Erst nach diesem Urteil trat Rajapaksa schlussendlich zurück. Danach ist das Ansehen der Justiz nun so groß wie nie zuvor.

Gestärkt ist auch die Zivilgesellschaft, die aus Prinzip die Verfassung und den Rechtsstaat hoch- gehalten hat. Zivilgesellschaftliche Gruppen haben Eingaben an die Gerichte gemacht, der verunsicherten Bevölkerung verfassungsrechtliche Fragen erklärt und Politikern, die eine gegenteilige Position einnahmen, öffentlich widersprochen. Dabei hat der klare Bruch mit der Verfassung und der parlamentarischen Tradition die zivilgesellschaftlichen Gruppen im Kampf vereint. Dass die Haltung des abgesetzten Premierministers und seines Parteienbündnisses mit dem übereinstimmte, was verfassungsmäßig und richtig war, hat Aktivisten zudem veranlasst, sich mit Parteiführern auf gemeinsamen Plattformen zusammenzutun.

Die Krise hat weitere erfreuliche Seiten der sri-lankischen Demokratie an den Tag gebracht. Dazu zählt, dass die Regierungsstellen nicht die Sicherheitskräfte gegen die friedlichen Demonstrationen beider Seiten eingesetzt haben. Vor allem Präsident Sirisena als Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Verteidigungsminister hätte dies tun können.

Hinzu kommt, dass die wichtigsten Regierungsorgane der Exekutive getrotzt haben. Das Parlament ist nicht den Verlockungen von Geld und Posten erlegen: Abgeordnete berichten, dass ihnen für einen Seitenwechsel bis zu zwei Millionen US-Dollar angeboten wurden. Eine Handvoll nahm das an, doch es wechselten zu wenige ins andere Lager, um die Mehrheitsverhältnisse im Parlament zu ändern.

Dennoch ist die Zukunft des Landes sehr ungewiss. Ende 2019 sind Präsidentschaftswahlen fällig und spätestens im August 2020 muss das Parlament neu gewählt werden. Der frühere Präsident Rajapaksa und die von ihm angeführten Oppositionsparteien befinden sich im Aufwind. Ihr Hauptmittel der Mobilisierung ist, den ethnischen Konflikt mit den Tamilen anzuheizen, der in der Vergangenheit zu drei Jahrzehnten des Bürgerkriegs geführt hat. Sie schüren Hass und Angst zwischen den Gemeinschaften und behaupten, die von der Regierung angestrebte Verfassungsreform drohe das Land zu spalten.

Die Einheitsregierung hat noch viel zu tun

Von den wichtigsten geplanten Verfassungsänderungen betrifft eine die große Machtfülle des Präsidenten. Weiter soll das Wahlsystem, das jetzt auf dem Verhältniswahlrecht beruht, durch eine Mischung daraus mit der Vertretung von einzelnen Wahlkreisen ersetzt werden. Und nicht zuletzt soll die Macht des Staates stärker dezentralisiert werden, um eine Lösung für Beschwerden der Minderheiten zu finden, insbesondere der Tamilen. Vor allem dieser Vorstoß steht erneut im Zentrum der Dispute.

Die Regierung der nationalen Einheit hat ihre Aufgaben noch nicht erfüllt. Gebildet wurde sie, nachdem im Jahr 2015 Sirisena die Präsidentschaftswahlen gewonnen hatte und die Partei von Wickremasinghe zur größten Fraktion im Parlament geworden war; daraufhin bildeten ihre Parteien eine Koalition. Sie versprach dem Land eine bessere Zukunft – insbesondere gute Regierungsführung und eine Lösung für den seit langem andaurenden Konflikt mit den Tamilen.

Die nationale Einheitsregierung hat bei beiden Aufgaben einiges getan. Sie hat begonnen, strittige Themen aus der Vergangenheit anzugehen: Die Militärpräsenz in den früheren Kriegsgebieten wurde verringert, beschlagnahmtes Land an die zivile Bevölkerung zurückgegeben und die Herrschaft des Rechts gestärkt. Diese Koalition hat damit die Hoffnung genährt, dass das schwierigste und hartnäckigste aller Probleme, der ethnische Konflikt, gelöst werden könnte.  

Nun ist die Koalition zerbrochen und Wickremasinghe führt eine Minderheitsregierung. Damit ist die Politik in alte Muster zurückgefallen. Auch die Wirtschaft ist hart getroffen: Die Wachstums­rate liegt unter vier Prozent, das ist niedriger als während des 2009 beendeten Bürgerkriegs. Zusätzlich sieht sich Sri Lanka einer Krise bei der Rückzahlung von Auslandsschulden gegenüber; Anfang Januar musste das Land bereits eine Milliarde US-Dollar aus seinen schwindenden Reserven abzwacken. Zudem blieben in der Hauptsaison die Touristen fern, weil viele Länder wegen der politischen Krise Reisewarnungen ausgesprochen hatten.

Die Regierung kann vor den anstehenden Präsidentschaftswahlen kaum etwas tun, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Es ist fast ausgeschlossen, dass die Verfassungsreform vor diesen Wahlen verabschiedet wird, denn dafür sind eine Zweidrittelmehrheit im Parlament und ein Referendum nötig. Die von Rajapaksa angeführte Parteiallianz wirbt um Stimmen unter den Singhalesen, der größten Volksgruppe, indem sie deren Angst schürt, dass eine Verfassungsreform die Position der ethnischen Minderheiten stärken wird. In der Wirtschaftskrise den ethnischen Nationalismus anheizen – dies wird Rajapaksas Rezept sein, die nächsten Wahlen zu gewinnen.

Aus dem Englischen von Moritz Elliesen.

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erschienen in Ausgabe 3 / 2019: Rassismus
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