Die Mär von der Hebelwirkung

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Entwicklungsbanken wollen mit Zuzahlungen private Investitionen in Entwicklungsländern anschieben. Die Rechnung geht bislang nicht auf, weisen Forscher in einer Studie nach.

Privates Geld für Entwicklung zu mobilisieren, ist für viele Entwicklungsagenturen das Gebot der Stunde. Der Geldbedarf für die Verwirklichung der Nachhaltigkeitsziele (SDGs) könne aus öffentlichen Kassen niemals gedeckt werden, heißt es. Daher will etwa die Weltbank ihre Mittel als Hebel nutzen, um ein Vielfaches an Privatinvestitionen in Süd-Länder zu locken – vor allem indem sie das Risiko für Anleger verkleinert. „Von Milliarden zu Billionen“ lautet das Schlagwort.

Doch das ist  Augenwischerei, sagen Forscher des ODI in London. Sie haben die Bücher jener Agenturen untersucht, die zuletzt zusammen mehr als drei Viertel der privaten Finanzierung im Süden mobilisiert hatten: der Weltbankgruppe, dreier regionaler Entwicklungsbanken – darunter die Europäische Investitionsbank – sowie der Agenturen von Frankreich, Großbritannien, den USA und Norwegen.

Die Ergebnisse sind eindeutig: Ein als Hebel eingesetzter Dollar hat im Durchschnitt nur 75 Cent privates Kapital mobilisiert. In Ländern mit niedrigem Einkommen (Low Income Countries, LIC) waren es weniger als 40 Cent und noch weniger bei Investitionen in die dortige Infrastruktur. Über die Hälfte der Kosten für solche Vorhaben musste aus öffentlichen Mitteln gedeckt werden, in LIC fast drei Viertel. Die behauptete Hebelwirkung ist also winzig und kann laut der Studie noch schrumpfen, wenn die Geber verlangen, stärker Privatinvestitionen zu mobilisieren: Die müssten dann noch mehr subventioniert werden.

Banken müssten mehr Risiken eingehen

Die Studie sieht einen Teil des Problems darin, dass Entwicklungsbanken und Agenturen aufgrund ihrer Geschäftsmodelle hohe Risiken scheuten: Mischfinanzierungen könnten in den frühesten Phasen der Marktentwicklung, wenn sie besonders riskant sind, am meisten bewirken. Wenn Geber verlangten, dass ein wachsender Anteil der öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA) für das Hebeln von Privatinvestitionen benutzt wird, könne das zudem perverse Folgen haben: Mehr Hilfe würde in Länder und Sektoren umgelenkt, in die man Investoren am ehesten locken kann, nämlich in Länder mit mittlerem Einkommen und  dort in Infrastruktur und Finanzwesen. Länder und Sektoren, die unter Entwicklungsgesichtspunkten am meisten benötigen, würden verlieren.

Die Forscher raten den Agenturen, mehr Risiken einzugehen, wenn sie privates Kapital anlocken wollen. Sie raten den Geberländern, genau zu überlegen, ob andere Wege der Entwicklungsförderung nicht sinnvoller sind. Und sie beklagen zu wenig Transparenz bei Mischfinanzierungen. Sie fragen leider nicht, warum diese trotz allem weithin als wichtiges Entwicklungsinstrument angepriesen werden. Ist das nur blinde Marktgläubigkeit oder steckt das Ziel dahinter, in Zeiten niedriger Zinsen neue staatlich abgesicherte Renditechancen für Großinvestoren zu schaffen?

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