Ein destruktiver Beschluss

BDS-Ächtung
Der Bundestag mag es gut meinen mit Israel, hilft aber bei der Zerstörung der Demokratie dort, findet Tillmann Elliesen.

Eine junge, mit einem Araber verheiratete Französin hat mich einmal gefragt, warum die deutsche Regierung nicht viel stärker Israels Politik gegenüber den Palästinensern anklage. Ich habe mit der Gegenfrage geantwortet, ob ihr der Begriff Auschwitz etwas sage.

Sechs Millionen ermordete Juden sind halt nicht bloß ein „Vogelschiss“ in der deutschen Geschichte, wie der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland meint, sondern – um im Bild zu bleiben – ein veritabler Kuhfladen, dessen Gestank dem deutschen Volk noch lange anhaften wird, ob ihm das passt oder nicht. Es zeugt deshalb von Verantwortung und Geschichtsbewusstsein, wenn sich deutsche Regierungen mit Kritik an Israel zurückhalten.

Im Grunde ist auch nichts dagegen einzuwenden, wenn der Bundestag aus diesem Geschichtsbewusstsein heraus Position gegen die sogenannte BDS-Bewegung bezieht, so wie er das vergangene Woche mit großer Mehrheit getan hat. BDS (Boycott, Divestment, Sanctions) steht für das Ziel, Israel zu boykottieren und mit Sanktionen zu belegen, also den von Juden geschaffenen Staat auf internationaler Bühne an den Pranger zu stellen und zu ächten wie einst das rassistische Apartheid-Regime in Südafrika.

Verhärtete Fronten

BDS wurde 2005 von palästinensischen Organisationen geschaffen, um neue Wege des gewaltfreien Widerstands gegen die israelische Besetzung auszuprobieren. Heute, 14 Jahre später, umfasst die Bewegung ein Spektrum, das von ernsthaft um Frieden bemühten Palästinensern und ihren Freunden in aller Welt bis hin zu fanatischen Feinden Israels reicht, die sich mit der Existenz des Staates nie abgefunden haben.

Der Ansatz von BDS ist destruktiv, weil er nichts beiträgt zu einer Lösung des verfahrenen Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern, sondern lediglich die Fronten verhärtet. BDS kann nichts zu einer Lösung beitragen, weil die Gleichsetzung mit Apartheid-Südafrika weder der Entstehung und dem Verlauf des Konflikts noch der Gegenwart in Israel und den besetzten Gebieten gerecht wird.

Trotzdem ist der Beschluss des Bundestages falsch. Er ist ebenso destruktiv wie BDS selbst, weil er die Bewegung pauschal als antisemitisch brandmarkt. Es gibt ohne Zweifel Judenhasser unter den BDS-Anhängern, aber die gesamte Bewegung mit dem Label Antisemitismus zu versehen, ist genauso dumm und unhistorisch, wie Israel einen Apartheid-Staat zu nennen.

Mit diesem Beschluss erledigt der Bundestag das Geschäft der israelischen Regierung von Benjamin Netanjahu. Die ist nicht an einer stabilen Lösung des Konflikts interessiert, sondern will lediglich die Palästinenser auf Dauer in Schach halten. Netanjahu und die ihn stützenden radikalen Kräfte gehen seit Jahren gegen politische, gesellschaftliche und kulturelle Initiativen in Israel vor, die sich um Verständigung und einen Ausgleich mit den Palästinensern bemühen – häufig mit dem Argument, sie seien antisemitisch. Auf diese Weise zerstören sie das wertvollste Gut der israelischen Demokratie: ihre Streitlust und ihre Fähigkeit, unterschiedliche Meinungen auch in existenziellen Fragen auszuhalten.

Ein Armutszeugnis für einige Volksvertreter

Diese Stärke hat in der Vergangenheit immer Anlass zur Hoffnung gegeben, aus der israelischen Gesellschaft heraus könnte einmal eine echte Friedensinitiative mit den Palästinensern wachsen. Netanjahu tut alles, um das zu verhindern, und der Deutsche Bundestag unterstützt ihn dabei mit einem nicht durchdachten, völlig überflüssigen Schnellschuss.

Einige Grüne, darunter der Außenpolitiker Jürgen Trittin, haben anders als ihre Fraktionsleitung den Beschluss abgelehnt und das in einer Erklärung begründet. Das verdient Respekt. Schlichtweg feige hingegen ist es, dass etliche Abgeordnete von der SPD, der CDU/CSU und den Grünen dafür gestimmt und sich dann nachträglich davon distanziert haben. Trittin hat in einem Interview gesagt, er glaube, viele hätten zugestimmt, um sich nicht dem Vorwurf des Antisemitismus auszusetzen. Das mag sein, ist aber ein Armutszeugnis. Denn wir sollten von unseren Volksvertretern schon erwarten dürfen, dass sie zu ihren Überzeugungen stehen, auch wenn ein Shitstorm droht.

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erschienen in Ausgabe 7 / 2019: Multilaterale Politik: Zank auf der Weltbühne
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