Kritik am Handelsabkommen zwischen EU und Lateinamerika

Umweltschutz
Zwanzig Jahre nach Verhandlungsbeginn haben die EU und der Staatenbund Mercosur Ende Juni im japanischen Osaka die politische Einigung über ihr Handelsabkommen verkündet. Manche Forscher und Politiker in Europa befürchten jedoch negative Folgen für Klimapolitik, Ureinwohner und Menschenrechte in Lateinamerika.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sprach von einem historischen Augenblick. Tatsächlich sollen für EU-Exporte in die Mercosur-Länder Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay nach und nach über vier Milliarden Euro Zölle jährlich verschwinden. Entsprechend positiv reagierte die Wirtschaft, darunter der Bundesverband der Deutschen Industrie und der Dachverband Business Europe.

Was genau das Abkommen enthält, ist noch nicht öffentlich. Aber wichtige Elemente sind durch eine Zusammenfassung der EU-Kommission bekannt. Demnach umfasst der Vertrag ein Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung. Es halte fest, dass „verstärkter Handel nicht zulasten der Umwelt oder Arbeitsbedingungen gehen“, sondern Nachhaltigkeit sogar fördern soll.
Konkret verpflichten sich beide Seiten auf die internationalen Kernarbeitsnormen wie das Verbot der Kinderarbeit und das Recht auf Kollektivverhandlungen. EU und Mercosur bekennen sich laut Zusammenfassung ferner zu internationalen Umweltabkommen. Ein spezieller Artikel verpflichte sie, das Pariser Klimaabkommen „wirksam umzusetzen“. Zudem enthalte der Vertrag Bekenntnisse zum Kampf gegen Abholzung. An dieser Stelle werden Initiativen des Privatsektors erwähnt, die „diese Bekenntnisse stärken“, beispielsweise kein Fleisch von Farmen „in kürzlich abgeholzten Flächen“ zu beziehen.

Vage Wortwahl lässt zuviel Spielraum

Trotzdem warnte ein Bündnis von Hunderten europäischen Wissenschaftlern und zwei brasilianischen Indigenen-Organisationen im April: Die EU müsse das Abkommen an Bedingungen koppeln, um die Menschenrechte und den Umweltschutz im größten Partnerland Brasilien zu gewährleisten. Mitunterzeichner und Geographie-Professor Tobias Kümmerle erklärt: „Wir halten das Abkommen nicht prinzipiell für schlecht, aber es kommt auf die Einzelheiten und die Umsetzung an.“ Es sei zum Beispiel sehr schwer, genau nachzuverfolgen, ob Fleischlieferungen aus kürzlich abgeholzten Gegenden stammen. Darüber hinaus kritisiert der Forscher der Berliner Humboldt-Universität die vage Wortwahl der Zusammenfassung. Es mache für die Bewahrung der Waldgebiete des Amazonas, des Gran Chaco und des Cerrado einen großen Unterschied, ob „kürzlich abgeholzt“ dreißig oder bloß fünf Jahren umfasse.

Bedenken hegen auch EU-Parlamentarier, die das Abkommen am Ende billigen müssen. Über 60 Abgeordnete forderten die EU-Kommission am 20. Juni auf, den Pakt zunächst nicht abzuschließen. Ihr Brief konzentrierte sich ebenfalls auf Brasilien und verwies auf Aussagen von Präsident Jair Bolsonaro, die Menschenrechten und Umweltschutz entgegenstehen. Zunächst müsse unter anderem die Wirksamkeit des Nachhaltigkeits-Kapitels genau untersucht werden, forderten die Parlamentarier. Eine der Initiatorinnen, Anna Cavazzini (Grüne), erklärt, das Kapitel erscheine rechtlich zu unverbindlich. „Die Sprache drückt an entscheidenden Stellen nur einen Willen aus – Sanktionsmaßnahmen fehlen jedoch.“ Cavazzini verweist etwa auf die Formulierung, dass die Parteien Arbeits- oder Umweltstandards „nicht senken sollten“, um Handel und Investitionen anzuziehen.

Landwirtschaftslobby sieht Pakt kritisch

Die Abgeordnete baut auch auf die Zivilgesellschaft, um den Text noch zu ändern oder zu stoppen. Dass es Massenproteste wie einst gegen das Handelsabkommen CETA gibt, erwartet sie zwar nicht. „Aber über das Klimathema kann man schon Leute mobilisieren.“ Außerdem freut sich die Grüne, dass auch die Landwirtschafts-Lobby den Pakt kritisch sieht, weil die in Brüssel großen Einfluss genieße. Tatsächlich hat sich der Deutsche Bauernverband gegen ihn ausgesprochen, da er die Konkurrenz aus Lateinamerika fürchtet.

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erschienen in Ausgabe 9 / 2019: Mission und Macht
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