Wo der Klimawandel sich längst auswirkt

Sara Jerving

Abdi Karim hat in Somaliland Wege gefunden, ­Gemüse anzubauen, ­obwohl das Klima trockener wird.

Ernährungssicherung
Früher gab es am Horn von Afrika üppige Regenzeiten, heute sind Dürren die Regel. Die Bauern und Viehhirten in Somalia und Somaliland lernen, damit umzugehen. Aber vielen gelingt das nicht.

Voll Stolz beugt sich Abdi Karim über seine Rote Beete und seine Spinat- und Papayapflanzen und berührt ihre Blätter. Seine Gärtnerei, in der grüne Netze die heranwachsenden Pflanzen vor der erbarmungslosen Sonne schützen, ist eine grüne Oase inmitten ausgedehnter, verdorrter Felder unweit von Hargeisa, der Hauptstadt von Somaliland.

Karim ist einer der Bauern, die im Rahmen eines Programms, das die Organisation Concern Worldwide mit irischer Entwicklungshilfe durchführt, neue Anbautechniken ausprobieren. Das Programm hilft Bauern in Somaliland beim Anlegen von Präsentationsfeldern, auf denen wirkungsvolle Anbaumethoden gezeigt werden, die Pflanzen trotz der Trockenheit in der Region am Leben erhalten können. Lena Voigt, die Regionalkoordinatorin von Concern, sagt, sie hoffe, dass andere Bauern Karims Fläche besichtigen, um dann zu Hause ihre eigenen provisorischen Gärtnereien anzulegen.

Auf Karims Farm befindet sich eine große, rechteckige, mit einer Kunststoffplane ausgekleidete Vertiefung, in der sich genügend Regenwasser sammelt, um seine Pflanzen in Trockenperioden am Leben zu halten. Auch seine Nachbarn kommen, um hier Wasser für ihre Pflanzen zu holen. Seit 2015 haben jedes Jahr Dürren das Land heimgesucht und dabei Viehbestände und Ernten vernichtet.

Autorin

Sara Jerving

ist Ostafrika-Korrespondentin des entwicklungspolitischen Online­dienstes Devex. Der Beitrag ist in Kooperation mit Devex entstanden; das Somali Cash Consortium hat die Recherche logistisch unterstützt.
Wissenschaftler sagen, am Horn von Afrika gebe es einen Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und den häufigen Dürren. „In fünf aufeinanderfolgenden Jahren hatten wir in diesem Land Dürren. Die Lebensgrundlagen vieler Menschen wurden zerstört“, sagt Mohamed Abdalle Hussein von der nationalen Behörde für Katastrophenvorsorge und Ernährungssicherung in Somaliland – einer Region, die 1991 einseitig die Unabhängigkeit von Somalia erklärte, als Staat jedoch nie international anerkannt wurde. Früher hätten normalerweise üppige Regenzeiten zwischen den Dürren eine Art Puffer gebildet. In dieser Zeit konnten die Menschen wirtschaftlich wieder auf die Beine kommen, sagt Hussein.

„Dürre ist eine alltägliche Katastrophe, mit der wir schon immer leben mussten, aber die Intervalle haben sich verändert. Früher gab es ein fünf- bis siebenjähriges Intervall mit ergiebigen Regenzeiten zwischen Phasen, in denen wir Dürren erlebten. Inzwischen hat sich dieses Intervall auf ein oder zwei Jahre verkürzt“, sagt Hussein. „Wenn Sie Jahr für Jahr einer Dürre ausgesetzt sind, werden Sie schwach und verwundbar.“ Der Nordwesten Somalilands sowie das Nachbarland Dschibuti wurden außerdem vergangenes Jahr von einem Zyklon bis dahin unbekannten Ausmaßes heimgesucht. Er brachte in nur wenigen Tagen die Regenmenge eines ganzen Jahres, tötete Tiere und überflutete Felder.

Angesichts dieser neuen Sachlage müssen Entwicklungsorganisationen und lokale Regierungen ihre bisherigen Kriseninterventionen in einen entwicklungsorientierten Ansatz umwandeln, der die Widerstandskraft von Gemeinden stärkt und auf langfristige Fluchtbewegungen reagiert. Dabei liegt der Fokus auf der Frage, wie die Leute weiterhin ihren Lebensunterhalt verdienen können.

Klimasmarte Landwirtschaft

Eine wichtige Strategie, die Widerstandskraft der Menschen zu stärken, ist die sogenannte klimasmarte – also an den Klimawandel angepasste – Landwirtschaft. Neben dem Gartenbau lehrt Concern auch Methoden wie variable Abstände zwischen verschiedenen angebauten Pflanzen, die Verwendung von organischen Düngemitteln und Pestiziden sowie das Anlegen von Erdwällen. Diese aus Erde aufgeschütteten Befestigungen sollen Bodenerosion und den Abfluss von Regenwasser verhindern. Da Wassermangel das größte Problem ist, arbeiten Hilfsorganisationen zusammen mit Gemeinden außerdem am Bau von einfachen Regenauffangsystemen, die Wasser in unterirdischen Tanks oder in mit Planen ausgekleideten Erdlöchern speichern. So sollen die Pflanzen während trockener Perioden vor dem Verdorren bewahrt werden.

Außerdem ermutigt Concern die Bauern zur Diversifizierung ihrer Landwirtschaft. Pflanzen anzubauen, bei denen die Aussaat und die Ernte näher beieinander liegen, und die Einführung von dürre-toleranten Sorten könnte den Bauern helfen, sich besser gegen klimatische Schocks zu wappnen, sagt Abubakar Ismail, der bei Concern für die Agrarprojekte in der Region zuständig ist. Dazu gehören Pflanzen wie Erdnuss, Augenbohne, Mungobohne und Sesam. Durch Fruchtwechsel wird außerdem die Bodenfruchtbarkeit verbessert, was wiederum den Ernteertrag erhöht.

In vielen Teilen Somalias und Somalilands ist die nomadische Viehwirtschaft (Pastoralismus) die vorherrschende Lebensweise. Doch angesichts der neuen Wettermuster in der Region gilt der Landbau gegenüber der Viehwirtschaft als stabilere Einkommensquelle. „Es gibt mehr dürreresistente Nutzpflanzen als dürreresistente Weidetiere“, erklärt Lena Voigt von Concern. Die Hirten sollen deshalb für den Ackerbau qualifiziert und dazu gebracht werden, sich auf diese Art der Existenzsicherung einzulassen.

Im Jahr 2013 gründete ein Konsortium nichtstaatlicher Organisationen unter Leitung des Norwegischen Flüchtlingsrats NRC die Arbeitsgemeinschaft Building Resilient Communities in Somalia (BRCiS), die in ganz Somalia einschließlich Somaliland tätig ist. Sie hilft Gemeinden, ihre Widerstandskraft zu stärken und mit kleineren Schocks fertigzuwerden. Dazu gehören Projekte, die auf eine stärkere Nachhaltigkeit sowohl beim Ackerbau als auch beim Pastoralismus zielen.

Als Teil seiner Arbeit mit BRCiS fördert der Norwegische Flüchtlingsrat solarbetriebene Bewässerungssysteme, stellt Gruppen zur gemeinschaftlichen Nutzung von Landmaschinen zusammen, verschafft Bauern Zugang zu verbessertem Saatgut und bringt ihnen bei, wie man durch eine bessere Lagerhaltung hohe Verluste nach der Ernte verhindert. Zudem plant der NRC, die Bauern in Somaliland mit der Bienenhaltung vertraut zu machen. Um Viehhirten zu helfen, unterstützt der Flüchtlingsrat gemeindebasierte Programme zur Tiergesundheit, etwa indem er Gemeinden mit Herstellern von Tiermedikamenten in Kontakt bringt. Außerdem werden die Tiergesundheitshelfer der Gemeinden in der Behandlung, Haltung und Vermarktung von Vieh geschult.

Die Erosion des Weidelands stoppen

Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Pflege von Viehweiden. Ziel ist, die Erosion des Weidelands zu stoppen, bevor es das Vieh nicht mehr ernähren kann. Da die Bodenerosion in Somaliland eins der Hauptprobleme ist, sieht eine der Methoden vor, Flächen zu begrenzen und einzuhegen, um dem Weideland Zeit zur Regeneration zu geben. Normalerweise durchstreifen die Pastoralisten weite Landstriche mit ihren Tieren. Doch die Projekte zur Regeneration des Weidelands hätten sie zu einer stärker sesshaften Lebensweise ermutigt, meint Barnabas Asora, Leiter des Länderprogramms Somalia beim NRC.

Das BRCiS-Programm habe geholfen, dass Leute nicht fliehen mussten, sagt Asora. Eine Evaluierung nach der Dürre 2016/2017 habe gezeigt, dass in Gegenden, in denen das Programm durchgeführt wurde, die Bewohner weitgehend geblieben sind, statt umzuziehen, um anderswo Hilfe zu suchen. „Im Gegenteil, es kamen sogar Gemeindevertreter an BRICiS-­Standorte, um sich über die sanierten Brunnen oder die verbesserte Grundversorgung zu informieren“, sagt Asora.

Doch derartige Programme zur Steigerung der Produktivität in ländlichen Gebieten haben nicht alle Menschen erreicht. In ganz Somalia einschließlich Somaliland haben eine Viertelmillion Menschen aufgrund von Dürre und kriegerischen Konflikten ihre Heimat verlassen – viele von ihnen sind in städtischen Gebieten gelandet ohne Perspektive, zu ihrer alten bäuerlichen Lebensweise zurückzukehren.

Halima Dahir Mahmoud ist eine von ihnen. Würde jemand aus ihrem alten Leben sie treffen, ist sie sich nicht sicher, dass er sie erkennen würde. Sie hat abgenommen und ist dauernd gestresst. Dahir Mahmoud war einmal eine nomadische Hirtin aus Äthiopien, die mit ihren 200 Schafen und Ziegen sowie 50 Kamelen umherzog. Jetzt lebt sie in einem Flüchtlingslager am Rand von Hargeisa. „Frische Luft ist eine der Sachen, die ich am meisten vermisse“, sagt sie.

Vor ein paar Jahren starben während einer regional begrenzten Dürre ihre ersten Tiere. Am Ende war keins mehr übrig. Zusammen mit ihrem Mann und ihren Kindern verließ sie Äthiopien und erreichte nach einem zwölfstündigen Fußmarsch das Flüchtlingslager in Somaliland, wo sie heute leben. Früher habe sie ein selbstbestimmteres Leben geführt, sagt sie. Ihre Familie habe sich von ihrem Vieh ernähren können: Wenn sie Geld brauchten, hätten sie ein paar Tiere verkauft. Heute seien sie von Hilfe abhängig.

Für andere dagegen ist das Leben im Flüchtlingslager besser als die Existenz, die sie zurückgelassen haben. Yurub Hussein Mohmoud lebt in einem Lager am Rand von Hargeisa, das weniger nach einem Provisorium aussieht: 350 Wohneinheiten aus Beton, von UN-Habitat mit Unterstützung der japanischen Regierung gebaut. Seit vier Jahren lebt sie nun in diesem Lager, nachdem ihr gesamter Viehbestand der Dürre zum Opfer gefallen war. Für Mohmoud kommt eine Rückkehr zu ihrer agropastoralen Lebensweise nicht infrage. Sie bleibt lieber im Lager, wo sie in ihrem eigenen Laden Lebensmittel, Shampoo, Windeln, Zigaretten und Kamelmilch verkauft.

Mohmoud nimmt an einem Projekt des EU-Treuhandfonds für Afrika teil. Sein Ziel ist es, dauerhafte Lösungen für Binnenflüchtlinge zu schaffen. Als Teil des Programms erhielt sie eine einjährige kaufmännische Ausbildung, wurde in eine nur aus Frauen bestehende Spar- und Darlehensgruppe aufgenommen und bekam eine Finanzspritze von 165 US-Dollar als Starthilfe für ihren Laden. „Zwischen der Frau, die in der heißen Sonne steht und Löcher in die Erde gräbt, und der Frau, die morgens duscht und dann in ihren Laden geht, besteht ein himmelweiter Unterschied“, sagt sie lachend. „Ich bin glücklicher da, wo ich jetzt bin.“

Aufbau eines sozialen Sicherheitsnetzes

Neben Starthilfen wie diesen wurde ein Großteil der humanitären Hilfe in den vergangenen Jahren mittels Geldzahlungen (cash transfers) geleistet, oft elektronisch über das Handy. Solche Zahlungen sollen das Überleben gefährdeter Familien in Somaliland und überall in Somalia sichern. Allerdings werden sie meistens nur für kurze Zeit gewährt, so dass es den Familien schwerfällt, in den langfristigen Wiederaufbau ihrer Existenzgrundlagen zu investieren.

Um beim Ausbruch von Krisen die Notwendigkeit großangelegter Hilfsmaßnahmen zu reduzieren, hat die Weltbank 65 Millionen US-Dollar für den Aufbau eines sozialen Sicherheitsnetzes in Somalia genehmigt. Der Gedanke dahinter ist, dass die Bewohner in einem genau umrissenen, krisengefährdeten Teil des Landes das ganze Jahr über und nicht nur in Krisenzeiten einen gleichbleibenden Geldbetrag ausgezahlt bekommen; tritt ein Notfall ein, würde das Programm aufgestockt.

Gleichzeitig hat eine Arbeitsgruppe von Entwicklungshilfegebern – darunter die EU, Deutschland, Großbritannien, USA und die Weltbank – ein Programm der technischen Zusammenarbeit aufgelegt, das verschiedene Aspekte eines dauerhaften sozialen Netzes untersucht, etwa die Fragen nach der Auswahl der Begünstigten, nach der angemessenen Höhe des auszuzahlenden Geldbetrags und nach den Kriterien, wann die Programmmittel in Krisenzeiten aufgestockt werden müssten.

Die Regierung von Somalia hat vor kurzem politische Grundsätze zur sozialen Sicherung formuliert, unter die ein Sicherheitsnetz fallen würde. Nun hofft man, dass die Regierung den Aufbau und die Finanzierung übernimmt. Allen diesen Programmen ist gemeinsam, dass sie großflächige humanitäre Katastrophen vermeiden helfen sollen, die die Menschen in ihrer Abhängigkeit von der Entwicklungshilfe belassen.

Aus dem Englischen von Juliane Gräbener-Müller.

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erschienen in Ausgabe 11 / 2019: Aufbruch am Horn von Afrika
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