„Wir möchten helfen, Somalia wieder aufzubauen“

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Engagement
Wie ein Unternehmer und ein Arzt sich für ihr Heimatland engagieren.

„Es gibt nichts Wichtigeres, als Leben zu retten“

Ich habe einen Traum. Eigentlich einen ziemlich bescheidenen, wie ich finde. Meine Heimat Somalia genießt darin dauerhaften Frieden, mit Menschen, die voller Hoffnung in die Zukunft blicken. Davon sind wir leider noch immer weit entfernt nach drei Jahrzehnten des Bürgerkriegs und anhaltenden Anschlägen.

Als ich vor 13 Jahren nach meinem Studium aus Pakistan nach Somalia zurückgekehrte, bemerkte ich, dass es für die Bevölkerung keine kostenlosen Krankentransporte gab. Ich wusste, dass ich das ändern musste, auch wenn das mit meinem eigentlichen Beruf wenig zu tun hat: Ich bin Zahnarzt. Es gibt nichts Wichtigeres, als Leben zu retten. Und in Mogadischu, unserer Hauptstadt, gibt es so viele unnötige Tote. Nicht nur Opfer von Bombenanschlägen von Terroristen, sondern auch Leute, die bei Verkehrsunfällen verletzt werden und nicht rechtzeitig ins Krankenhaus kommen.

Also habe ich alle meine Ersparnisse genommen und meinen ersten Krankenwagen gekauft. Einige aus meiner Familie waren dagegen – wegen des Risikos. Wenn wir nach Selbstmordanschlägen die Verwundeten versorgen, gibt es dort oft direkt den nächsten Anschlag, sobald Retter wie wir vor Ort sind. Das ist eine besonders perfide Taktik der Terroristen in Somalia.

Inzwischen haben wir 20 Krankenwagen und 35 Mitarbeiter, unsere Organisation heißt „Aamin Ambulance“. Ich finanziere das weiterhin mit meinen Einnahmen, die ich als Zahnarzt verdiene. Aber es gibt auch Spenden, selbst von denjenigen, die wenig Geld haben. Schon bald möchte ich auch in anderen Städten Somalias mit „Aamin Ambulance“ helfen.

Aber natürlich haben wir große Probleme. Unlängst verlangte ein hochrangiger Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums Bestechungsgelder. Wir lehnten natürlich ab. Im Gegenzug entzog er zwei Krankenwagen, die wir aus den Vereinigten Arabischen Emiraten importiert hatten, die Lizenz. Er nahm uns auch die Steuerbefreiung weg. Ich habe das nicht erwartet, weil auch er ein Arzt ist.

Wir werden niemals aufgeben, aber Schwierigkeiten kommen von allen Seiten. Von den Terroristen – und von der Regierung.

Aufgezeichnet von Christian Putsch.

 

„Wir haben die Angst hinter uns gelassen“

Ich bin 2014 aus Großbritannien in meine Heimat Somalia zurückgekehrt, um das zu tun, was ich gern mache: Unternehmen gründen und Menschen Arbeit geben. Aber diese Entscheidung ist mir schwergefallen. Ich war schließlich nicht mehr der junge Mann, als der ich Somalia Anfang der 1990er Jahre wegen des Bürgerkriegs verlassen hatte, sondern ein Familienvater Anfang 40 mit einer Frau und vier Kindern. Wir haben gemeinsam gründlich nachgedacht und am Ende als Familie die Entscheidung getroffen, zusammen nach Somalia zurückzugehen.

Wir möchten beim Wiederaufbau unseres Landes helfen. Wie sich die Verhältnisse irgendwo auf der Welt entwickeln, hängt immer davon ab, ob es Menschen gibt, die ihr Umfeld verändern. In Somalia wollen wir dabei mithelfen. In Großbritannien hatte ich eine Druckerei und ein paar weitere Unternehmen, aber trotzdem wurde ich vor allem als Flüchtling gesehen. Die Leute fragten mich immer als Erstes: „Woher kommst du? Wie lange bist du schon hier?“ Die Frage nach der Herkunft ist ja nicht verwerflich, aber Flüchtling zu sein bleibt ein Stigma, und es ist nicht sehr angenehm, wenn man jeden Tag darauf angesprochen wird.

Umgekehrt sehen die Inländer in Europa uns als eine Bedrohung und fürchten, dass wir Flüchtlinge ihnen ihre Möglichkeiten nehmen. Es ist also für beide Seiten nicht einfach. Lasst uns deshalb für den Frieden in der Welt beten und alles dafür tun, ihn herbeizuführen.

Mit meiner Druckerei „Somprint“ gehe ich angesichts der immer noch schwierigen Sicherheitslage in Mogadischu ein großes unternehmerisches Risiko ein. Gleichzeitig mache ich hohe Gewinne, auch weil die Konkurrenz nicht so groß ist. Wir haben gelernt, mit den Risiken umzugehen. Ich glaube, dass wir die Angst hinter uns gelassen haben. Wir haben uns für etwas entschieden, und wenn unser letzter Tag kommt, dann ist das eben unser letzter Tag. Bis es so weit ist, geht das Leben seinen ganz normalen Gang. Wir konzentrieren uns mehr auf die guten Seiten des Lebens als auf die schlechten. Anders geht es nicht.

Aufgezeichnet von Bettina Rühl.

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erschienen in Ausgabe 11 / 2019: Aufbruch am Horn von Afrika
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