„Das ist absoluter Irrsinn“

Wolfgang Ammer
Kohlekraft in Bangladesch
Mit Hilfe internationaler Investoren baut Bangladesch ein Kohlekraftwerk nahe den bedrohten Sundarbans, einem zerbrechlichen Ökosystem am Golf von Bengalen. Der Ökonom und Aktivist Anu Muhammad erklärt, welche Folgen der Bau hat und was deutsche Firmen damit zu tun haben.

In Rampal im Südwesten Bangladeschs wird derzeit das größte Kohlekraftwerk des Landes gebaut. Warum protestieren Sie gegen das Projekt?
Das Kraftwerk soll nur wenige Kilometer von den Sundarbans entfernt gebaut werden, den größten Mangrovenwäldern der Welt. Die Sundarbans sind auch das letzte große Waldgebiet in Bangladesch, viele andere Wälder sind großen Industriestrukturprojekten und dem Holzschlag zum Opfer gefallen. Die Mangrovenwälder schützen das Land dahinter vor den Folgen des Klimawandels wie den häufiger auftretenden Zyklonen und dem steigenden Meeresspiegel. Die Region muss unbedingt bewahrt werden. Stattdessen wird ein Kohlekraftwerk gebaut, das die Wälder zerstört und zusätzlich den Klimawandel anheizt. Das ist absoluter Irrsinn.

Welche Auswirkungen des Kraftwerks auf die Mangrovenwälder befürchten Sie?
Das Kraftwerk wird giftige Gase und Asche ausstoßen, die die Luft und damit auch die Wälder verschmutzen. Eine große Gefahr geht auch vom Transport der Kohle aus. Jeden Tag müssen 12.000 Tonnen Kohle auf Schiffen durch Flüsse in den Sundarbans transportiert werden. Was dabei passieren kann, haben wir vor kurzem erlebt, als mehrere Frachter mit rund 700 Tonnen Kohle in der Nähe der Sundarbans gesunken sind. Die Verschmutzung gefährdet die Tier- und Pflanzenwelt in den Wäldern und damit auch die Lebensgrundlage der Menschen dort.

Die Regierung behauptet, das Kohlekraftwerk sei modern und sauber.
Wenn die modernste Technik verbaut wird, verringern sich die Umweltschäden um ein paar Prozent. Aber das macht es nicht sauber. Das Umweltgutachten der Regierung ist fehlerhaft, das sagen selbst unabhängige Experten. Die UNESCO sieht das ebenfalls kritisch und hat gedroht, den Sundarbans den Status eines Weltnaturerbes wegen des Kraftwerkbaus abzuerkennen, aber das interessiert unsere Regierung nicht wirklich. 

Warum wurde genau dieser Ort für den Kraftwerkbau ausgewählt?
Das ist eine Frage, auf die uns die Regierung keine klare Antwort geben kann oder will. Eine Rolle spielt vermutlich der Transport der Kohle auf dem Seeweg. Das Problem ist aber nicht nur Rampal. Die Regierung will den Küstenstreifen zu einer Energieregion ausbauen.

Würden Sie den Bau des Kraftwerks an einem weniger problematischen Ort befürworten?
Als die Pläne für den Kraftwerkbau 2010 bekannt wurden, war das unser Ansatz. Aber über die Jahre hinweg haben wir viel gelernt über die Folgen der Kohlekraft und uns nach Alternativen umgesehen. Unser Netzwerk hat 2017 einen alternativen Masterplan für die Stromversorgung in Bangladesch vorgelegt. Die Erkenntnis ist, dass Bangladesch auf Kohlekraft und Atomstrom verzichten kann, wenn man zunächst mehr auf Gas und dann den Ausbau von Wind- und Solarstrom setzt.  

Der Strombedarf in Bangladesch ist enorm, 20 Prozent der Bevölkerung sind noch immer nicht an das Stromnetz angeschlossen. Rechtfertigt das nicht den Bau von Kohlekraftwerken?
Bislang hatte Bangladesch kaum Kohlekraft. Wir sollten nicht den Fehler machen, nun eine veraltete Technologie einzusetzen, sondern direkt in erneuerbare Energien investieren. Das ist langfristig auch wesentlich günstiger.

Überzeugt das Argument Ihre Regierung? Bislang ist der Anteil von Solar- und Windenergie in Bangladesch mit rund fünf Prozent an der Stromerzeugung gering.
Unsere Regierung richtet ihre Energiepolitik zu sehr an den Interessen einheimischer und internationaler Unternehmen aus. Außerdem haben Indien, China, Japan und Russland, die die meisten Energieprojekte in Bangladesch finanzieren, großen Einfluss auf unsere Regierung. 

Rampal wird von Indien gefördert und gebaut. Welche Interessen stecken dahinter?
Es geht um die wirtschaftlichen Interessen der Investoren und staatseigener Unternehmen: Hinter dem Bau steckt der staatliche Energieversorger Indiens, die National Thermal Power Corporation (NTPC), die das Projekt gemeinsam mit dem staatlichen Energieversorger Bangladeschs umsetzt. Die indische Exim-Bank finanziert das Projekt, das ist eine öffentliche Bank für Exportfinanzierung. Der norwegische Pensionsfonds und drei europäische Banken haben deshalb ihre Beteiligungen an der Exim-Bank zurückgezogen – im Gegensatz zur Deutschen Bank, die weiterhin Exim-Anleihen kauft.

Das deutsche Ingenieursbüro Fichtner ist ebenfalls am Bau beteiligt. Haben Sie versucht, mit der Firma Kontakt aufzunehmen?
Ja, aber wir haben keine Antwort bekommen. Deutschland will aus der Kohle aussteigen, aber deutsche Firmen bauen Kohlekraftwerke im Ausland. Wir haben in Berlin mit Abgeordneten darüber gesprochen. Sie sagen, dass ihnen die Hände gebunden sind, wenn es um die Tätigkeiten privater Unternehmen geht. Aber wenn Unternehmen für ihre schädlichen Geschäfte im Ausland nicht rechtlich haftbar gemacht werden können, muss man eben die Gesetze anpassen.

Wie weit ist der Bau des Kraftwerks in Rampal?  
Der Protest hat dazu geführt, dass die Pläne für einen zweiten Block  eingestampft wurden. Der Bau am ersten Meiler von 1320 Megawatt geht aber voran, wenn auch nur langsam.

Wie stehen die Chancen, dass das Projekt noch gestoppt wird?
Es ist nicht zu spät. Die Regierung müsste nur auf die Bevölkerung hören. Es gibt Umfragen, nach denen 90 Prozent der Bevölkerung den Bau ablehnen, sogar innerhalb der Regierungspartei gibt es kritische Stimmen.

Aber die Proteste gegen Rampal haben zuletzt nachgelassen …   
Seit der Wahl 2018 geht die Regierung härter gegen Umweltaktivisten und Menschenrechtler vor. Sie schickt zivile Schlägertrupps, die Teilnehmer von Demonstrationen und Mahnwachen angreifen. Und sie lässt Aktivisten verhaften oder spricht Ortsverbote aus. Der Protest wird kriminalisiert. 

Haben Sie das selbst zu spüren bekommen?
Ich wurde mehrfach verhaftet und für einige Tage eingesperrt. Aber man musste mich wieder freilassen, weil es keine rechtlich haltbare Begründung dafür gab. Ich habe auch anonyme Todesdrohungen erhalten. Aber was soll man tun, wir müssen weitermachen.

Hilft der Druck von außen?
Wir versuchen, uns mit der indischen Zivilgesellschaft zu vernetzen, damit dort der Druck auf die Regierung wächst. Unser Nachbarland wird auch betroffen sein, wenn die Sundarbans verschwinden. Die Regierung in Delhi will die Vernetzung verhindern und verweigert mir und anderen Aktivisten die Einreise. Das hat die Solidarität aber eher verstärkt. Auch die deutsche Zivilgesellschaft und die Politik können Druck machen, zum Beispiel auf die Deutsche Bank oder Unternehmen wie Fichtner. Die Kraftwerksbetreiber werben damit, dass das Projekt sauber wird, weil eine deutsche Firma beteiligt ist. Sie missbrauchen den guten Ruf Deutschlands.

Das Gespräch führte Sebastian Drescher.

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erschienen in Ausgabe 2 / 2020: Meinungs- und Pressefreiheit
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