„Die Vielfalt der EU ist ein Vorteil“

Entwicklungspolitik
Christine Hackenesch vom DIE erklärt, wie die Europäische Union ihre Entwicklungspolitik besser verkaufen könnte

Selbstdarstellung und Eigenwerbung spielen nicht nur für Unternehmen eine Rolle, sondern auch für Staaten und die EU. In einem Bericht zur Entwicklungsfinanzierung haben Fachleute im Oktober  eine umfassende Markenpolitik („branding“) und ein neues Leitbild für die EU-Entwicklungspolitik angeregt. Christine Hackenesch vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik erklärt, wie das aussehen könnte und warum China dabei nicht als Vorbild taugt.

China hat mit der „Belt-and-Road-Initiative“ einen einprägsamen Slogan in der Außendarstellung, der auch die Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern umspannt. Sollte die EU etwas Ähnliches entwickeln?
Die Belt-and-Road-Initiative steht vor allem für große Infrastrukturprojekte und Konnektivitätspolitik. Mit ihr sollen Handelsrouten und die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen China und den Ländern auf dieser Route verbessert werden. Damit verbindet sich ein bestimmtes Entwicklungsmodell: China stellt Ländern zum Beispiel in Afrika vor, wie Entwicklung in China funktioniert hat und was diese davon lernen können. Aber es ist fraglich, ob das so funktioniert. Und die EU sollte diesen Ansatz nicht übernehmen.

Warum nicht?
Früher sind die Europäische Union und andere Industrieländer davon ausgegangen: Wir haben Erfahrung, wie Entwicklung funktioniert, und teilen diese Erfahrungen mit Entwicklungsländern. Angesichts des Klimawandels ist die Situation heute grundlegend anders. Denn in der EU wissen wir auch noch nicht, wie CO2-neutrale Gesellschaften und Wirtschaftsmodelle aussehen können, wir befinden uns selbst in einem Suchprozess. Die Europäische Union könnte dies zum Anlass nehmen und afrikanischen Ländern einen Dialog anbieten, wie zukunftsfähige Gesellschaftsmodelle, ausgehend von unterschiedlichen Situationen, aussehen können.

Zeigt sich dieses Verständnis im neuen Titel der EU-Kommissarin für internationale Partnerschaften, die keine EU-Entwicklungskommissarin mehr sein soll?
Ja genau. Die EU müsste nach außen deutlich machen, dass wir ohne internationale und transnationale Kooperation auf Augenhöhe die globalen Herausforderungen nicht angehen können. Dabei hat die EU (ebenso wie andere) keine Blaupausen für zukunftsfähige Gesellschaftsmodelle. Durch ihre interne Vielfalt hat die EU aber einen Vorteil gegenüber zentral regierten Ländern wie China. Unterschiedliche EU-Mitgliedstaaten machen sehr verschiedene Erfahrungen, was zum Beispiel die Transformation der Energiepolitik oder die Folgen der Digitalisierung für den Arbeitsmarkt angeht. Das sollte man auch so nach außen kommunizieren.

Aber ist es nicht besser, wenn die EU nach außen eine einheitliche Botschaft sendet?
Das schließt sich nicht aus. Die einheitliche Botschaft kann lauten, dass die Vielfalt – zum Beispiel an Erfahrungen – ein Teil dessen ist, was Europa zu bieten hat.

Die neue EU-Kommission unter Ursula von der Leyen hat gerade ihr erstes großes Projekt vorgestellt, den „European Green Deal“, der die EU klimaneutral machen und zugleich Partner außerhalb der EU mobilisieren soll, ihr auf diesem Weg zu folgen. Ist das auch ein Leitbild für die Entwicklungszusammenarbeit?
Der europäische Konsens für Entwicklungspolitik von 2017 hat einen wichtigen Schritt gemacht, indem er Fragen der Innenpolitik mit solchen der Außen- und Entwicklungspolitik verbunden und indem er die Nachhaltigkeitsziele in der Entwicklungszusammenarbeit verankert hat. Wenn jetzt die EU-Kommission den sogenannten Green Deal zu ihrem Leitmotiv macht, stellt sich erneut die Frage: Was heißt das für die Entwicklungszusammenarbeit und ihr Leitbild? Wichtig wäre auch das „wording“: Wenn die EU den Ansatz für ihre Kooperation mit Drittländern nutzen möchte, ist es schwierig, die Initiative als „European“ Green Deal zu bezeichnen.

Noch ein ganz praktischer Aspekt der Außendarstellung: Sollte die blaue Europaflagge mit den gelben Sternen öfter in Entwicklungsländern zu sehen sein, um EU-geförderte Projekte und Programme sichtbarer zu machen?
Die EU steht in der Außendarstellung traditionell vor dem Problem, dass ein wichtiger Teil ihrer Unterstützung Budgethilfe ist, also über die Systeme der Partnerländer ausgegeben wird. Das ist auch gut so. Natürlich ist solche Förderung nicht so sichtbar, wie wenn die Chinesen zum Beispiel ein Stadion bauen. Aber ich würde nicht raten, dass die EU ihre Politik nur deshalb ändert, um ihr Logo öfter auf etwas draufkleben zu können. Am wichtigsten ist, welche inhaltlichen Ziele und Strategien die EU verfolgt. Und dann kann man überlegen, wie man das „verkauft“.

Das Gespräch führte Phillipp Saure

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erschienen in Ausgabe 2 / 2020: Meinungs- und Pressefreiheit
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