Hürdenlauf für die Sportschuhfabrik

Enda

Der Lapatet ist das zweite Modell des kenianischen Laufschuhherstellers Enda. Hier näht ein Arbeiter den preisgekrönten Schuh in der Fabrik in Kenia zusammen.

Kenia
Kenianische Läuferinnen und Läufer gewinnen Goldmedaillen und brechen Welt­rekorde. Nun stellt eine junge Firma auch Schuhe für Athleten im Land her. Wie schwer der Weg dahin war, ist bezeichnend für die Probleme der afrikanischen Wirtschaft.

Die Kenianerin Navalayo Osembo und ihr britisch-amerikanischer Geschäftspartner Weldon Kennedy gründeten im Jahr 2016 die Firma Enda. Sie wollten Laufschuhe für den Export herstellen und der Welt zeigen, dass Kenia nicht nur exzellente Läufer hervorbringt, sondern auch als Produktionsstandort Beachtung verdient. 

Doch bis dahin war es ein langer Kampf. Um für Investoren attraktiv zu sein, musste das Start-Up mit Sitz in Nairobi zunächst ein Konzept vorlegen und einen potenziellen Exportmarkt nachweisen. Die Gründer hofften zunächst, rund eine halbe Million US-Dollar zusammenzubekommen. Mit dem Geld wollten sie ihr Team zusammenstellen, Prototypen der Schuhe entwickeln und testen sowie Material bestellen. Sie wandten sich an rund 150 Investoren und Risikokapitalgeber. Doch schnell erwies sich die Finanzierung als Problem – eine Erfahrung, die viele kenianische Start-Ups kennen. 

Ein Großteil der kontaktierten internationalen Investoren war der Enda-Gründerin Osembo zufolge noch nie in Kenia oder Afrika gewesen und hatte verzerrte Vorstellungen davon, was eine Investition auf dem Kontinent bedeutet. Sie zögerten, Geld in Kenias aufkommenden Bekleidungssektor zu stecken. Immer wieder fragten sie, warum Enda nicht auf chinesische oder vietnamesische Firmen zurückgreife, die bestehende Infrastruktur nutzen und bewährte Herstellungsmechanismen haben. 

Investoren stecken ihr Geld lieber in gehypte IT-Start-Ups

„Es gibt einen Grund, warum alle in Asien produzieren,“ erklärt Osembo. „Alle glauben, dass die Asiaten die Vorteile der Massenproduktion perfektioniert haben und am effektivsten sind. Warum also in ein afrikanisches Land gehen?“

Die kenianischen Investoren ihrerseits zögerten, in einen Schuhhersteller zu investieren. Sie stecken ihr Geld lieber in den Immobilienmarkt oder die stark gehypten IT-Start-Ups, die Nairobi den Spitznamen ­„Silicon Savannah“ eingebracht haben.
„High-Tech-Firmen finden in Kenia viele Ressourcen vor – Kapital, das Umfeld anderer Firmen, Multiplikatoren“, erklärt Marvin Kiragu, geschäftsführender Gesellschafter der in Nairobi ansässigen Investmentfirma Mizizi Capital. „Für Gründer aus der Konsumgüterbranche gibt es all das nicht.“

Mit Hilfe von Investitionen von Freunden und aus der Familie bekam Enda dann gerade genug Geld zusammen, um den ersten Prototyp zu entwerfen. Schließlich beschlossen die Gründer, auf ein kreativeres Konzept zu setzen und versuchten es über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter.

Die erste Kickstarter-Kampagne im Jahr 2016 brachte 140.000 US-Dollar ein. Der Großteil des Geldes floss in die Herstellung der Formen für die Zwischensohle der Schuhe. Jede Form kostet 3000 US-Dollar und für jede halbe Schuhgröße für Männer und Frauen wird eine eigene Form benötigt. Das Ergebnis war Endas erster Laufschuh „Iten“, der 2017 erfolgreich auf den Markt kam. Alle 6000 Paare wurden verkauft. Zeitweise hatte Enda Probleme, Nachschub zu gewährleisten. 

Versand in Kenia dauert Wochen

„Wenn ich meine Waren in die USA liefere, sind sie innerhalb von einem Tag da. Sachen innerhalb von Kenia zu verschicken, hat früher acht Wochen gedauert“, sagt Osembo. „Die Produktion zieht sich hin. Der Kunde bekommt die Ware erst nach vier oder fünf Monaten.“

Im März 2019 setzte Enda auf eine weitere Kickstarter-Kampagne für den Entwurf eines zweiten Schuhmodells. Der „Lapatet“ war ein voller Erfolg: Auf der weltweit größten Sport-Start-Up-Messe ISPO in München schlug erstmals ein afrikanisches Unternehmen mehr als 400 Mitbewerber in der Kategorie „Body and Mind“. Der Erfolg  verschaffte Enda Beachtung und ermöglichte die erste große Anschubfinanzierung. 

Fünf Investoren sorgten dafür, dass Enda im November 2019 insgesamt 350.000 US-Dollar zur Verfügung hatte. Angeführt wurde die Gruppe von der kenianischen Investmentfirma Mizizi Capital und der ebenfalls kenianischen Firma Umoja Rubber Products, einem der größten afrikanischen Schuhhersteller. Mit an Bord waren außerdem drei reiche Privatinvestoren aus Afrika.

Mit dem Geld kann Enda Produktion, Vertrieb und Marketing ausbauen. „Wir suchen und investieren in junge afrikanische Marken, die bereits ein Bein auf dem Boden haben – nicht nur lokal, sondern international“, erklärt Kiragu von Mizizi Capital. „Für Enda sehen wir großes Potenzial. Die Marke könnte so etwas wie das afrikanische Nike werden.“

Hohe Markteintrittsbarrieren

Enda und seine Investoren hoffen, dass die Investition anderen lokalen Start-Ups Mut macht. Der kenianische Präsident Uhuru Kenyatta will der Indus­trie Priorität einräumen und hat ehrgeizige Pläne: Bis zum Jahr 2022 soll der Anteil der verarbeitenden Indus­trie am Bruttoinlandsprodukt von derzeit 9,8 Prozent auf 15 Prozent steigen.

In Kenias verarbeitender Industrie sind rund 303.000 Menschen beschäftigt. Im Jahr 2017 waren 11,4 Prozent der formellen Arbeitsplätze dort angesiedelt. Dennoch: Durch hohe Markteintrittsbarrieren und die Probleme, mit denen Unternehmen in dem Land zu kämpfen haben, sind Äthiopien und andere Nachbarn in der Region in Sachen Wachstum an Kenia vorbeigezogen. Wegen der nicht ausgereiften lokalen Lieferkette werden Schuhe von Enda heute nur zu 40 Prozent in Kenia hergestellt, der Rest wird in China produziert. Die Gründer wollen perspektivisch die Produktion komplett nach Kenia holen. Das soll Investitionen, Jobs und Industrie ins Land holen und Kenia einen Ruf als Bekleidungshersteller auf Weltniveau verschaffen.

Ansatzweise geht es schon in die richtige Richtung. Gemeinsam mit anderen Schwergewichten wie Vietnam, Bangladesch und Indonesien hat sich Kenia in der Schuhproduktion bereits als mögliche Alternative zu China bemerkbar gemacht. Aber bevor das Land wirklich durchstarten kann, muss sich noch einiges ändern.

Die Enda-Gründer beklagen, dass Kenias Steueranreize zur Förderung der verarbeitenden Industrie lokale Hersteller benachteiligen. Um exportorientierte Investitionen zu fördern, wurden im Jahr 1990 mit dem sogenannten Export-Processing-Zone-Gesetz (EPZ) Freihandelszonen ausgewiesen, in denen neue Hersteller Fabriken eröffnen konnten. 

Weil die Fabrik nicht in einer solchen Zone liegt, profitiert Enda nicht von der dauerhaften Ausnahme von der Mehrwertsteuerpflicht und Warenimportzöllen. Gleichzeitig dürfen Unternehmen, die von den Freihandelszonen profitieren, höchstens 20 Prozent ihrer Gesamtproduktion im Inland verkaufen. An eine solche Beschränkung will Enda sich nicht halten.

„Wir wollten bestehende kenianische Fabriken fördern, damit sie hochwertige Produkte in die Welt exportieren können“, erklärt der Enda-Gründer Kennedy. „Aber die Steueranreize sind ausschließlich für neue ausländische Direktinvestoren da, die neue Fabriken bauen“, sagt er. „Warum werden nicht auch inländische Hersteller belohnt, die ihre Produkte verbessern und so dazu beitragen, die Exporte zu erhöhen?“

In den vergangenen Monaten sind die EPZ-Freihandelszonen wegen der Steuererleichterungen für Unternehmen in die Kritik geraten. „Es gibt zunehmend Forderungen, die Steuerbegünstigungen zu reduzieren“, erklärt Judd Murigi, Leiter der Forschungsabteilung beim kenianischen Finanzdienstleister ICEA Lion Asset Management. „Obwohl sehr viele Unternehmen Erleichterungen erhielten, wurden nicht unbedingt auch Arbeitsplätze geschaffen.“  

Der Beitrag ist zuerst bei „Quartz Africa“ erschienen. 

Aus dem Englischen von Carola Torti.

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erschienen in Ausgabe 6 / 2020: Kino im Süden
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