„Keine Wahlmöglichkeiten“

picture alliance / ZUMAPRESS.com/Billy Mutai
Harte Arbeit: Ein Kleinbauer pflügt im Westen Kenias mit Hilfe von Ochsen sein Pfeld. Die umstrittene Allianz für eine grüne Revolution in Afrika will Bauern wie ihn unterstützen.
Grüne Revolution
Die Allianz für eine grüne Revolution in Afrika soll Kleinbauern in Afrika helfen. Doch vielen Bauern nimmt sie die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Anbaumethoden zu wählen, kritisiert die kenianische Ökoaktivistin Anne Maina.

Anne Maina koordiniert die Arbeit der Mitglieder der Biodiversity and Biosafety Association of Kenya. Der Zusammenschluss von rund 60 Bauernorganisationen fördert ökologische Ansätze in der Landwirtschaft und sensibilisiert die Öffentlichkeit dafür.
Vor kurzem veröffentlichte Evaluierungen zeigen, dass die 2006 gegründete Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika (AGRA) ihre Ziele nicht erreicht hat und offenbar erst seit wenigen Jahren systematisch prüft, was sie bewirkt. Beweist das für Sie, dass der gesamte Ansatz von AGRA in die falsche Richtung führt?
AGRA hat mit viel Ehrgeiz begonnen und Förderer wie die Bill & Melinda Gates Stiftung haben viel Geld hineingesteckt. Leider waren sie von Anfang an nicht bereit, auch mit anderen Mitteln als dem Einsatz von Technologie, synthetischem Dünger und der Ausweitung der Märkte für Hybridsaatgut die Nahrungsmittelproduktion zu fördern. Diesen Ansatz dieses sogenannten „big push“ haben wir im vergangenen Jahr im Bericht „False Promises“ zusammen mit anderen Organisationen aus Afrika und Deutschland hinterfragt. Wir kritisieren, dass dieser Ansatz den Bauern die Kontrolle und ihr Recht auf Wahlmöglichkeiten nimmt.

Inwiefern?
Bei unseren Recherchen in Kenia haben wir festgestellt, dass die Bauern, die über lokale Agrarhändler an AGRA gebunden sind, nicht frei entscheiden können, welches Saatgut sie anbauen. Sie kaufen dort Saatgut, Düngemittel sowie Pestizide und werden so in dieses System gesperrt. In einigen Gebieten ist es ihnen sogar nicht erlaubt, andere Pflanzen als Mais anzubauen. Traditionell betreiben unsere Bauern Zwischenfruchtanbau: Sie pflanzen Mais und Bohnen sowie traditionelle Getreidesorten wie Hirse und Sorghum, was sehr vorteilhaft ist. Aber seit AGRA im Land ist, ist der Anbau solcher nahrhaften Lebensmittel zurückgegangen.

Haben Sie in Ihrer Recherche auch Bauern getroffen, die von der Umstellung auf die AGRA-Strategie profitiert haben?
Ja, wir haben sogar ausdrücklich nach solchen Erfolgsgeschichten gesucht. Die meisten Bauern, die von AGRA profitieren, haben bessere Voraussetzungen als der durchschnittliche Kleinbauer. Viele haben neben der Landwirtschaft noch andere Jobs und Einkommensquellen, zum Beispiel als Lehrer. Ein Lehrer ist in der Lage, einen Kredit aufzunehmen, um Saatgut und Betriebsmittel sowie eine Wasserpumpe für die Bewässerung zu kaufen und vielleicht sogar zusätzliches Land zu pachten. Aber auch für diese Bauern bleibt das Problem, dass der intensive Einsatz von synthetischem Dünger auf Dauer den Boden tötet. Und für Bauern, die keine anderen Einkommensquellen haben und auf das angewiesen sind, was sie produzieren, ist Agrarökologie ohnehin der bessere Weg.

Wirkung verfehlt

Vor 15 Jahren starteten die Bill & Melinda Gates Stiftung und die Rockefeller-Stiftung mit viel Geld die Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika (AGRA). Ihr Ziel ...

AGRA behauptet, sie seien eine „autonome afrikanische Institution“ und hätten Rückhalt nicht nur von afrikanischen Regierungen, sondern auch von Bauernorganisationen. Was ist Ihr Eindruck?
Aufgrund der enormen Geldsummen, die AGRA von Gebern wie der Gates-Stiftung, aber auch aus Deutschland oder Großbritannien erhalten hat, konnten sie sich etablieren und hatten direkten Zugang zu afrikanischen Regierungen. Leider haben viele afrikanische Regierungen daraufhin ihre Politik in einigen Punkten geändert. Sie haben zum Beispiel angefangen, den Kauf von Dünger und Pestiziden zu subventionieren, um den AGRA-Ansatz zu unterstützen. In Kenia hat die Regierung die Saatgutpolitik überarbeitet mit dem Ziel, die Märkte für Hybridsaatgut zu öffnen – und später möglicherweise auch für genveränderte Pflanzen. Andererseits akzeptieren die kenianischen Saatgutgesetze nicht einmal von Bauern verwaltete Saatgutsysteme oder selbstbestäubende Sorten. Ja, AGRA hat Regierungen beeinflusst. Und auch einige Bauern haben das unterstützt, da es auf den ersten Blick vielversprechend aussah, die Landwirtschaft zu modernisieren und zu industrialisieren.

Was sind die größten Probleme eines durchschnittlichen Bauern in Kenia? Was braucht er am meisten?
Das größte Problem ist der Mangel an Wissen. Viele Bauern kämpfen zum Beispiel mit nachlassender Bodenfruchtbarkeit. Deshalb schulen wir sie, wie sie ihre Böden im Rahmen eines agrarökologischen Ansatzes pflegen können. Oder wie man Schädlinge und Krankheiten mit Hilfe eines integrierten, also umweltverträglichen Pflanzenschutzes in den Griff bekommt. Seit den entwicklungspolitischen Strukturanpassungsprogrammen in den 1980er Jahren haben die meisten afrikanischen Regierungen die Ausbildung von landwirtschaftlichen Beratern eingestellt. Heute sind es die Agrarkonzerne und die Agrarhändler, die sich als Berater aufspielen und behaupten, sie könnten die Probleme der Bauern lösen. Während der Aussaat gehen multinationale Unternehmen wie Bayer und Syngenta auf die Farmen und werben für ihre Produkte. Denken Sie an die jüngste Heuschreckenplage in Kenia, die das Land verwüstet. Die Regierung hat Pestizide beschafft und lässt die nun versprühen. Wir haben den Landwirtschaftsminister gedrängt, auch einige biologische Pestizide zur Bekämpfung der Heuschrecken zuzulassen.

Welche Rolle spielen die multinationalen Agrarkonzerne in Kenia?
Die Menge der importierten Pflanzenschutzmittel hat sich seit dem Jahr 2015 mehr als verdoppelt. Zudem nehmen die Unternehmen indirekt Einfluss auf die Landwirtschaft. Nehmen Sie das Beispiel des Monsanto-Unkrautvernichters Round Up oder ähnlicher Produkte auf Glyphosatbasis. Viele Landwirte im ganzen Land setzen das Mittel in großen Mengen ein. Da Round Up nicht mehr patentiert ist, stellen lokale Unternehmen Herbizide auf Glyphosatbasis selbst her. Man kann es sogar in abgelegenen Dörfern in kleinen Mengen kaufen, wenn das Geld nicht für einen ganzen Kanister reicht. Wir haben in einer Petition die Regierung aufgefordert, die Verwendung von Glyphosat zu stoppen.

AGRA argumentiert, die afrikanischen Bauern sollten wählen dürfen, welche Art von Landwirtschaft sie wollen: eine eher industrialisierte oder eine agroökologische. Stimmen Sie dem zu?
Ja, einverstanden. Aber es ist AGRA selbst, die den Kleinbauern diese Wahl verweigert. Sie sind in einer Situation gefangen, in der sie sich an einen bestimmten Agrarhändler wenden, der ihnen auf Kredit bestimmtes Saatgut und Betriebsmittel verkauft. Wenn sie ernten, zahlen sie den Kredit mit ihren Produkten zurück, und das ist in den meisten Fällen Mais. Sie haben keine Wahl und sind nicht in der Lage zu diversifizieren, je nachdem, was sie anbauen möchten.

Wenn AGRA der Agrarökologie gegenüber offener wäre, würden Sie dann mit ihr zusammenarbeiten?
Sicher, wir sind immer offen für Zusammenarbeit. In unserem Bericht „False Promises“ haben wir letztes Jahr die deutsche Regierung aufgefordert, AGRA nicht mehr zu unterstützen. Aber würde AGRA die Agrarökologie annehmen und die Bauern entsprechend unterstützen, dann würden wir das wirklich begrüßen.

Das Gespräch führte Tillmann Elliesen.

 

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erschienen in Ausgabe 6 / 2021: Selbst bestimmen!
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